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Zwischenruf Schmierentheater im Sommerloch

"Schmierenkomödie": Das neue Meldegesetz hat eine Debatte in Regierung und Opposition ausgelöst.

"Schmierenkomödie": Das neue Meldegesetz hat eine Debatte in Regierung und Opposition ausgelöst.

(Foto: dapd)

Das neue "Meldegesetz" regelt allenfalls, dass der Bürger nichts mehr zu melden hat. Es missachtet die Menschenwürde. Denn die Daten sind Teil der Würde, deren Unantastbarkeit das Grundgesetz garantiert. Es ist beschämend, dass ein Fußballspiel wichtiger ist als die Menschenwürde.

Schmierenkomödie wäre ein zu nettes Wort, um zu beschreiben, wie die "Meldegesetz" getaufte Kundenkartei für Dummenfänger aller Art über die Sommerbühne geht. Da gäbe es wenigstens noch etwas zu lachen. Ein Fähnlein von ein paar Fußballdesinteressierten aus CDU/CSU und FDP beschließt ein Gesetz, gegen das eine Goldgrube eine Schlammpfütze ist. Der Bundesdatenschutzbeauftragte untertreibt, wenn er von einem "Geschenk an die Werbeindustrie" spricht. Es handelt sich vielmehr um eine Offerte an die gesamte Wirtschaft, denn Werbung macht jeder. "Wer nicht wirbt, der stirbt", heißt es gemeinhin.

Intensive Lobbyarbeit

Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass die wirtschaftsfreundlichen Änderungen, die am Gesetzesentwurf des Bundesinnenministeriums vorgenommen wurden, das Ergebnis intensiver Lobbyarbeit waren. Das Papier aus dem Hause Friedrich sah immerhin vor, dass der Betreffende der Weitergabe seiner persönlichen Daten zu kommerziellen Zwecken zustimmen musste. Umso mehr verwundert es, wenn der Bundesinnenminister das nunmehr verabschiedete Gesetz verteidigt. Es darf als sicher gelten, dass viele gar nicht wissen, wie und wo sie Widerspruch gegen den Verkauf ihrer Daten einlegen können, wie es in der Abschlussfassung des "Meldegesetzes" heißt, das allenfalls regelt, dass der Betreffende nichts mehr zu melden hat. Ein anderer Teil wird sich aus Bequemlichkeit nicht zu Wort melden. Auch das Argument, dass Millionen von Menschen bei Facebook und ähnlichen Vereinen noch ganz andere als ihre Meldedaten preisgeben, sticht nicht. Wer so dumm ist, muss das mit sich selbst ausmachen.

Kommunen brauchen Geld

Sicher: Die Kommunen brauchen Geld. Mit dem Datenverkauf ließe sich einiges locker machen. Doch wie hoch wäre der bürokratische Aufwand, der damit - und auch mit der Bearbeitung der Widersprüche - verbunden wäre? Außerdem sind Zweifel angebracht, dass die Autoren der Schlussfassung das Wohl der Städte und Gemeinde im Auge hatten. Es ist beschämend, dass im Spätkapitalismus buchstäblich alles zur Ware wird.

Jetzt bekommt ein Regierungsmitglied nach dem anderen kalte Füße. Wo haben sie denn vorher ihre Augen gehabt? An den Fernsehschirmen? Es ist erschreckend, dass im Lande der Dichter und Denker die Kicker wichtiger sind als die Daten. Denn die sind Teil der Würde des Menschen. Und die ist unantastbar.

Manfred Bleskin

Manfred Bleskin

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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