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Zwischenruf Sicher ist: Der Krieg geht weiter

Die Berichte über die Erfolge des internationalen Einsatzes in Afghanistan bleiben so lange Geschwurbel wie dessen Präsident nicht einmal die Sicherheit seiner thingähnlichen Nationalversammlung garantieren kann.

Überschattet von einem Taliban-Angriff ...

Überschattet von einem Taliban-Angriff ...

(Foto: AP)

Die Botschaft von Hamid Karsai ist nicht neu. Zum ersten Mal aber trug er sie vor diesem Gremium vor: Aussöhnung mit den Taliban, die er Brüder und seine Lieben nannte. Einige der Lieben beschossen das – von der Bundesregierung mit einer halben Million Euro finanzierte – Riesenzelt, in dem sich rund 1600 Stammesälteste, Provinzfürsten, Clan- und Regionalführer, Politiker, hohe Offiziere und religiöse Führer, Mitglieder der Königsfamilie und der Regierung versammelt hatten. Vertreter des Oppositionsführers Abdullah Abdullah bleiben unter Hinweis auf das übliche Gemauschel bei der Auswahl der Teilnehmer der auf drei Tage angesetzten Veranstaltung fern. Auch Repräsentanten der Taliban selbst sind nicht dabei.

Karsais Botschaft weist in die richtige Richtung. Allerdings kommt sie - in dieser Form - recht spät. Zudem ist sie nicht stringent: Anderorts sind die Koranschüler in schwere Kämpfe mit Einheiten der Regierungstruppen und der NATO verwickelt. Was in Kabul der Ölzweig ist, ist in den Provinzen Kandahar und Helmand der Holzknüppel. Im Übrigen wird es immer schwerer, von den Taliban zu sprechen. Neben dem Kern um Mullah Omar haben sich zahlreiche weitere Gruppierungen gebildet, die aus Kaschmir, den Grenzregionen zu Pakistan, dem ehemals sowjetischen Zentralasien und dem arabischen Raum stammen. Eine auf absehbare Zeit eher unwahrscheinliche Einigung mit Mullah Omar würde also nicht automatisch Frieden bedeuten.

Schutz der Drogen-Barone

... hat in Kabul die Versammlung von 1600 afghanischen Volksvertretern begonnen, die den Prozess der nationalen Versöhnung vorantreiben sollen.

... hat in Kabul die Versammlung von 1600 afghanischen Volksvertretern begonnen, die den Prozess der nationalen Versöhnung vorantreiben sollen.

(Foto: dpa)

Karsai will abtrünnige Taliban mit Hilfe eines durch Geberländer mit umgerechnet rund 130 Millionen Euro finanzierten Versöhnungsprogramms gewinnen. Das ist viel Geld. Doch die Einnahmen der Taliban aus der seit 2001 um 90 Prozentpunkte gestiegenen Drogenproduktion sind jährlich ebenso hoch. Wobei man sicher jene Summen abziehen muss, die Karsai-Günstlinge wie der Ex-Gouverneur von Helmand eingestrichen haben. In dessen Keller waren laut FAZ elf Tonnen Rauschgift gefunden worden. Karsai ernannte den Stammesführer und Milizenchef anschließend zum Senator.

Die Friedens-Dschirga wird also alles andere als Frieden bringen. Denn in einem Punkt sind die Mullah-Omar-Taliban nicht zu Kompromissen bereit: Gespräche erst nach Abzug aller ausländischen Truppen. Ob die Gesprächsbereitschaft unter den genannten Voraussetzungen auch für alle anderen Taliban und weitere Teile der bewaffneten Opposition gilt, ist zweifelhaft. Sicher hingegen ist: Der Krieg geht weiter!

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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