Pisa-Aufstieg nur ein erster Schritt Soziale Kluft besteht weiter
07.12.2010, 18:14 UhrDie gute Nachricht ist: Es hat sich etwas getan in Deutschland. Seit dem Pisa-Schock vor zehn Jahren haben deutsche Schüler aufgeholt. Wie die neueste Pisa-Studie zeigt, erzielen sie inzwischen in Mathematik und Naturwissenschaften überdurchschnittliche Ergebnisse, bei der Lesekompetenz haben sie sich leicht verbessert und liegen nun im Mittelfeld mit Amerikanern, Schweden und Briten. Und besonders eine Nachricht ist erfreulich: Der Anteil der Schüler mit ungenügenden Lese-Resultaten ist gesunken.
Allerdings gibt es zur Euphorie keinen Grund. Noch immer kann fast jeder Fünfte der 15-Jährigen höchstens auf Grundschulniveau lesen. Besonders Jungen hinken hier weit hinterher. Mit dem mangelnden Textverständnis fehlt ihnen aber eine bedeutende Schlüsselkompetenz. Wer kaum lesen kann, ist nicht nur in der Schule abgehängt, sondern wird es auch in der Zukunft schwer haben und früher oder später von den Sozialsystemen abhängig sein.
Chancengleichheit in weiter Ferne
Hinzu kommt ein anderer bedenklicher Faktor, der seit langem zwar beklagt wird, aber dadurch allein nicht aus der Welt geschaffen wird: Wie in keinem anderen OECD-Land bestimmt in Deutschland das soziale Umfeld über den schulischen Erfolg. Schüler mit Migrationshintergrund, Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen oder deren Eltern kein Geld für Nachhilfe haben, haben deutlich schlechtere Aussichten, das Abitur abzulegen. Chancengleichheit bleibt ein Fremdwort.
Dabei sieht die Realität in manchen Schulen noch düster aus. Da werden zwar bisweilen Schulhöfe für viel Geld renoviert, doch gibt es dann gerade mal drei Geschichtsbücher für eine Klasse, und die Eltern müssen zum Putzen oder Streichen in die Schule kommen. Als Konsequenz aus dem Pisa-Schock jagt nun häufig eine Reformidee die andere, ohne dass es die Mittel zur Umsetzung gibt. Der Andrang auf die Privatschulen hält an, was wiederum die soziale Kluft verschärft.
Auch wenn die neuen Pisa-Ergebnisse tröstlich anmuten: Deutschland muss noch deutlich mehr tun und selbst in Zeiten klammer Kassen mehr in seine Schulen investieren, in die Lehrerausbildung, Weiterbildungen, die Schaffung kleiner Klassen, gutes Schulmaterial. Schon allein aus wirtschaftlichem Interesse. Denn letztlich – so zeigt es eine OECD-Studie vom Sommer dieses Jahres – lohnt sich die Bildung seiner Bürger langfristig für eine Volkswirtschaft. Und für jeden Einzelnen.
Quelle: ntv.de