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Zwischenruf Sozialer Frieden in Gefahr

Sommer, Schwan, Platzeck. Die Liste der Warner/innen vor sozialen Unruhen in Deutschland wächst. Der DGB-Chef wie die Präsidentschaftskandidatin und der brandenburgische Ministerpräsident sind ernsthafte Politiker. Es ist unredlich, ihnen zu unterstellen, sie würden Unruhen herbeireden. Sie geben - in unterschiedlicher Schärfe - Stimmungen wieder, die gleichwohl nicht die Meinung breiter Massen sind.

Die drei sind SPD-Mitglieder. Andere in ihrer Partei wie Bundesarbeitsminister Olaf Scholz verweisen auf die Maßnahmen der Bundesregierung. Die aber greifen nicht, zumindest nicht so, dass ein weiterer Anstieg der Erwerbslosigkeit verhindert wird. Der Vorsitzende der IG Metall Bertold Huber winkt schon mit dem Zaunpfahl: "Wenn es massenhafte Entlassungen geben würde, wird es auf jeden Fall Widerstand geben, und zwar breiten Widerstand."

Den hat es andernorts schon gegeben, und er geht weiter. In Bulgarien, Frankreich, Italien, Irland, Island, Lettland, Litauen, Ungarn. Luxemburgs keineswegs zu Panikmache neigender Premier Jean-Claude Juncker fürchtet sich vor einer "soziale(n) Krise, die vor allem durch Massenarbeitslosigkeit geprägt sein wird". EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Duro Barroso schiebt nach, dass es "ein fundamentaler Fehler (wäre) zu glauben, die EU müsse nur auf Finanzmarktregulierung achten". Genau dies aber haben Bundesregierung, Wirtschaftsvertreter und -wissenschaftler auf dem zweiten Konjunkturgipfel in den Mittelpunkt ihres Krisenmanagements gestellt.

Eine Ausdehnung der Zahlungsfrist des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate wäre ein Schritt in Richtung Verhinderung von Massenarbeitslosigkeit. Das reicht aber nicht aus. Zumal die Milliarden die Rentenkassen belasten würden und dann doch zu Kürzungen bei den Altersbezügen führen können. Natürlich erst nach den Bundestagswahlen, was den Koalitionsparteien vielleicht, den Betroffenen aber ganz sicher nichts nützen würde. Dann würde die Binnennachfrage beeinträchtigt, die zwar nicht nachgelassen hat, aber weit davon entfernt ist, das Minus bei den Ausfuhren zu kompensieren.

Die Deregulierung der Märkte hat die Krise gebracht, die Regulierung kann dazu beitragen, sie zu überwinden. Wenn es stimmt, dass außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, sollten ein Verbot von Entlassungen und staatliche Lohnzuschüsse ins Auge gefasst werden. Es stimmt, dass wir in Deutschland ein immer noch recht dichtes soziales Netz haben. Doch dessen Maschen werden größer. Je weniger hindurch fallen, desto geringer die Gefahr von "sozialen Unruhen". Damit wäre allen gedient und der soziale Frieden gesichert.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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