Zwischenruf Teilzeitjob Demokratie
18.01.2011, 13:32 Uhr
Gute Zusammenarbeit sieht anders aus: Angela Merkel und Guido Westerwelle.
(Foto: picture alliance / dpa)
Dioxin, Afghanistan, Steuererleichterungen, Personaldebatten: In der Regierung bestimmt ausschließlich Streit die politische Arbeit und damit die politische Kultur Deutschlands. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem immer weniger Bürger wählen und der Teil des Demos kleiner wird.
In der Koalition aus CDU/CSU und FDP bietet dieser Tage jenes Erscheinungsbild, das nach der Duzvereinbarung zwischen Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu ihrem Markenzeichen wurde: Man drischt auf einander ein, dass die Fetzen nur so fliegen. Bei den vielzitierten Kesselflickern ging es vornehmer zu.
Bundeslandwirtschaftsministerin und CSU-Politikerin Ilse Aigner schimpft wegen nicht gemeldeter Dioxinfunde auf Niedersachsens CDU- und FDP-geführte Landesregierung. Der Fraktionsgeschäftsführer von CDU/CSU Peter Altmaier und Unionsfraktionsvize Michael Meister stellen sich gegen den christdemokratischen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wegen dessen Ablehnung von rückwirkenden Steuererleichterungen, der liberale Finanzexperte Frank Schäffler stellt ihn sogar in Frage, der Generalsekretär der Freien Demokraten Christian Lindner gleich das gesamt Regierungsbündnis. Der Chef der FDP-Fraktion in Schleswig-Holsteins Landtag Wolfgang Kubicki fällt wieder einmal über den eigenen Bundesvorsitzenden her. Was vergessen? Na ja, der Streit zwischen dem FDP-Außenamtschef und dem CSU-Verteidigungsminister über ein Datum für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan scheint beigelegt. Außerdem war die ganze Geschichte Karl-Theodor zu Guttenberg ohnehin "wurscht".
Das Problem der Koalition ist, dass sie an die Grenzen ihrer eigenen Wahlversprechen gekommen ist. Die FDP hat’s unter die Fünf-Prozent-Marke gedrückt, die Union bewegt sich unverändert um ihr Ergebnis bei den Bundestagswahlen 2009 herum. So wird der Streit zum Dauerzustand, die politische Kultur dauerhaft bestätigt. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem die Wählerinnen und Wähler meinen, das Wesen der Demokratie wäre der fortwährende Zwist zwischen den Regierenden. Nur werden es immer weniger, die an die Urnen treten. So wird die Demokratie zu einer Teilzeitbeschäftigung eines immer kleiner werdenden Teils des Demos.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de