Zwischenruf Und der kleine Mann?
14.03.2007, 17:51 UhrVon Manfred Bleskin
Mit seiner Zustimmung zur Unternehmenssteuerreform hat das Kabinett ein weiteres großes Vorhaben des Koalitionsvertrages auf den Weg gebracht. Kernpunkt: Mit Beginn des nächsten Jahres sollen die Steuern für Kapitalgesellschaften um rund neun Prozentpunkte auf knapp 30 Prozent gesenkt werden. Das ist, auf den ersten Blick, gut. Denn Deutschland hat nach Spanien die höchsten Unternehmenssteuersätze in der Europäischen Union. Der Anteil der Unternehmenssteuer am Gesamtsteueraufkommen aber liegt lediglich bei knapp 18 Prozent. Das war nicht immer so.
Noch vor gut vier Jahrzehnten war der Anteil doppelt so hoch. 1970 waren es immerhin noch 27 v. H. Die Steuerbelastung der lohnabhängig Beschäftigten lag 1960 bei 12 Prozent, zehn Jahre später war sie auf das Doppelte geklettert. Derzeit beträgt sie etwas über 32 Prozent. Stimmt: Die Schere war Mitte der neunziger Jahre noch größer, als die Regierung Kohl den großen Unternehmen Entlastungen in Milliardenhöhe bescherte. Aber das macht es für den kleinen Mann nicht besser. Denn es sind die so genannten Massensteuern, die das Steueraufkommen zu drei Vierteln ausmachen. Das sind Abgaben wie die Tabak-, die Alkohol-, die Mineralöl- und vor allem die Mehrwert- und die Lohnsteuer.
Die nun bevorstehende Praxis wird den Bund in den ersten Jahren rund fünf Milliarden Euro kosten. Die Gewinne der Unternehmen wuchsen von 2000 bis 2005 von 224 Milliarden auf 337 Milliarden Euro. Die Reallöhne hingegen sacken seit 2004 beständig in den Keller. Der abnehmende Kaufkraftverlust belastet dazu vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die zudem - wie auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos kritisiert - nichts von den neuen Steuerpraktiken haben.
Wie also den von der Regierung eingeräumten Steuerausfall kompensieren? Das Zauberwort lautet Gegenfinanzierung: So ist geplant, dass Unternehmensgewinne künftig nicht mehr im Ausland, sondern daheim versteuert werden. Produktionsverlagerung ins Ausland soll fürderhin Geld kosten. Schon jetzt warnen Wirtschaftskreise, die Gegenfinanzierung gefährde das Investitionsklima. Die Investitionen sind aber seit 2000 von 251 Milliarden Euro auf 227 in 2005 gesunken. Im umgekehrten Verhältnis also zu den steigenden Gewinnen. Weniger Investitionen, weniger neue Arbeitsplätze. Und daran wollte sich schließlich auch diese Regierung messen lassen.
Das Rezept, nachdem in Berlin gekocht wird, ist nicht neu. Im Grunde ist es das Gericht, das nun schon seit rund 30 Jahren serviert wird. Und für die Mehrheit der Deutschen angebrannt riecht. Dass es diesmal möglichst vielen schmeckt, kann man nur von ganzen Herzen hoffen.
Quelle: ntv.de