Zwischenruf Ungerührt und unglaubwürdig
29.01.2010, 21:27 Uhr
Tony Blair bereut nichts.
(Foto: dpa)
Der Auftritt des früheren Premierministers Tony Blair vor dem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments wird als eines der bizarrsten Kapitel in die Politikgeschichte des Königreichs eingehen.
Der New-Labour-Mann gibt ungerührt zu, dass der Geheimdienstbericht, mit dem er die Parlamentarier zur Unterstützung des Bush-Abenteuers im Irak bewog, nicht den Tatsachen entsprach. Er habe aber damals keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Berichte über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Zweistromland gehabt. Dies ist so unwahr wie die damaligen Tricks schmutzig waren. Der seinerzeitige US-Außenminister Colin Powell hat a posteriori wenigstens zugegeben, dass sein Vortrag vor dem UN-Sicherheitsrat mit Satellitenfotos von angeblichen Raketenabschussrampen und Silos für Massenvernichtungsmittel zu den schlimmsten Augenblicken seines Lebens gehört.
Anders Blair: Der hatte in einem Interview für die BBC schon vorher zugegeben, dass man, hätte es keine Berichte über Massenvernichtungswaffen gegeben, andere Gründe für die Invasion gefunden hätte. Hätte das Regime von Saddam Hussein tatsächlich über A-, B- oder C-Waffen verfügt, hätte es sie auch skrupellos eingesetzt. Wie schon im Krieg gegen den Iran und gegen die Kurden im eigenen Land. Die USA, Großbritannien und andere "Willige" aber sind einmarschiert, weil ihnen bekannt war, dass der Diktator nicht mehr über bakteriologische oder chemische Kampfmittel verfügte. Und schon gar keine nuklearen.
Wenn der Mann, der sein Land zehn Jahre regierte, nun erklärt, man habe verhindern wollen, dass der Irak wieder in den Besitz solcher Waffen gelangt, müsste das Vereinigte Königreich schon lange in den Iran einmarschiert sein.
Völlig unglaubwürdig wird die Show von Sgt. Tony’s One Man Band, wenn Blair einen Zusammenhang zwischen 9/11 und der Invasion herstellt. Dossiers, denen zufolge sich Emissäre Saddams in Prag mit Leuten von al Q’aida getroffen hätten, erwiesen sich ebenso als Enten wie die Behauptung der CIA, irakische Abgesandte hätten im westafrikanischen Niger Uran kaufen wollen.
Dass Britannien unter seiner Führung das Völkerrecht brach, lässt den jetzigen Privatier völlig kalt. Wie die Anwesenheit von 30 Angehörigen der insgesamt 179 Soldaten Ihrer Majestät, die zwischen Euphrat und Tigris ihr Leben verloren. Er sei nicht Manns genug gewesen, ihr in die Augen zu schauen, sagt eine von ihnen. Als Ausschussvorsitzender Sir John Chilcott Blair Gelegenheit gab, etwas zu bereuen, lehnte Blair ab: "No regrets!" Das dürfte reichen, um Labours Niederlage bei den bevorstehenden Wahlen zum Unterhaus perfekt zu machen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de