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Zwischenruf Ungewisse Zukunft der Ukraine

Selbst die Kommunisten sprechen von Manipulation: Am Wochenende fanden in der Ukraine Parlamentswahlen statt.

Selbst die Kommunisten sprechen von Manipulation: Am Wochenende fanden in der Ukraine Parlamentswahlen statt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Wahlen in der Ukraine waren nicht frei von Manipulation. Das sagen sogar die Kommunisten, die Teil des Regierungslagers sind. Die Entwicklung der Ukraine wird weiter vom Wahlsieger Janukowitsch bestimmt. Die Annäherung an die EU dürfte weiter schleppend verlaufen. Entscheidet sich Kiew für den Anschluss an die moskaugeführte Zollunion?

Natürlich können sich die Wahlergebnisse mit fortschreitender Stimmauszählung ändern. Jubelte Vitali Klitschko vor ein paar Stunden noch über den dritten Platz seiner "Udar"-Partei, so liegt die Schlag-Truppe nunmehr auf dem vierten Rang. Der Trend jedoch ist unumkehrbar: Die regierende Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch hat den Urnengang für sich entschieden. Damit hat sich ein Großteil der Wähler für eine Partei entschieden, die ihren Wahlkampf unter das Motto "Von Stabilität zum Wohlstand" gestellt hatte.

Die wirtschaftliche Lage der Mehrheit der Bevölkerung ist wahrlich nicht berauschend. Doch auch während der Zeit von Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko nach der orangefarbenen "Revolution" 2004 hatte sich die Situation der meisten Ukrainer nicht nennenswert verbessert.

Niedrige Wahlbeteiligung

Der Wahlsieger gibt seine Stimme ab: Präsident Viktor Janukowitsch.

Der Wahlsieger gibt seine Stimme ab: Präsident Viktor Janukowitsch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein beachtlicher Teil der knapp 37 Millionen Stimmberechtigten blieb den Urnen fern. Die Wahlbeteiligung von nur 58 Prozent ist ein Negativrekord seit der Unabhängigkeit 1991. Überschattet war die Wahl von Manipulation und Stimmenkauf. Einer Umfrage zufolge wäre aber jeder zehnte Ukrainer bereit gewesen, seine Stimme aus sozialen Gründen zu verkaufen.

Der Wahlbetrug wird auch von der Kommunistischen Partei (KPU) angeprangert, die eigentlich als Verbündete der Partei der Regionen gilt. Erstmals seit Jahren erreichten die Kommunisten wieder ein zweistelliges Ergebnis und wurden dritte Kraft vor der Udar von Klitschko. Während die KPU auch enttäuschte Janukowitsch-Anhänger für sich gewinnen konnte, konnte Udar desillusionierte Sympathisanten des früheren Staatschefs Juschtschenko mobilisieren.

Timoschenko bleibt Bezugspunkt

Udar war wohl nicht zuletzt in westlichen Medien wegen der Boxweltmeistertitel ihres Zugpferds stark überbewertet worden. Die Zukunft von Udar scheint offen: Eine nur auf eine Person projizierte Partei hat erfahrungsgemäß kaum Überlebenschancen. Bemerkenswert ist, dass die "Vereinigte Opposition" zweitstärkste Kraft in der Werchowna Rada, dem Parlament, wird. Zwar ist die inhaftierte Timoschenko unbestritten der zentrale Bezugspunkt.

Neben Timoschenkos "Vaterland"-Partei gehört der Plattform aber auch die "Front für den Wandel" an. Deren Chef, Ex-Radapräsident Arseni Jazenjuk, erfreut sich gleichfalls großer Beliebtheit.

"Swoboda": Antisemitische Sympathisanten

Mit dem Einzug der so genannten Freiheitspartei "Swoboda" gelangen erstmals auch westukrainische Nationalisten ins Parlament. "Swoboda" mäandert bis in antisemitische und faschistische Kreise hinein.

Die wirtschaftliche Stabilität hängt von einer Richtungsentscheidung ab, welche die Regierung in Kiew über kurz oder lang treffen muss. Anschluss an die Zollunion, die Russland mit Belarus und Kasachstan gebildet hat oder Assoziierungsabkommen mit der EU?

Auch die neue Regierung wird wissen, dass der Winter mit seiner bitteren Kälte vor der Tür steht und preiswertes Öl aus Russland buchstäblich lebensnotwendig ist. Nachdem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahlen als unfair bezeichnet, sind Fortschritte im Assoziierungsprozess mit der EU kaum zu erwarten. Als wahrscheinlich gilt, dass Janukowitsch versuchen wird auf Zeit zu spielen, Fortschritte mit Brüssel zu erreichen und auf dieser Basis das Verhältnis zur russischdominierten Zollunion zu klären. Wohlstand, so wie versprochen, ist damit aber immer noch nicht erreicht.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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