Zwischenruf Von Verteilungsgerechtigkeit und Demokratie
12.12.2007, 16:25 UhrManch einer nennt sie populistisch, ein anderer wahlkampforientiert, der nächste neidgeprägt. Die Diskussion um Managergehälter, Mindestlöhne und Längerzahlung von Arbeitslosengeld aber zeigt: Die Ungleichheit in der Einkommensverteilung hat ein bedrückendes Ausmaß angenommen. Es handelt sich mithin um eine gerechtfertigte Debatte, in der die Sorge um die Zukunft der Gesellschaft zum Ausdruck kommt.
Das Gesamtvermögen beläuft sich hierzulande, den Immobilienbesitz nicht eingerechnet, auf die stolze Summe von vier Billionen Euro. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt.
Das Gesamteinkommen nahm von 2005 auf 2006 von 26 Milliarden Euro auf 42 Milliarden zu. 2005 waren die Einkünfte der Arbeitnehmer um sechs Milliarden gesunken. Im Folgejahr wuchsen sie zwar um zwei Milliarden. In demselben Zeitraum stiegen die Gewinn- und Vermögenseinkünfte aber von 32 auf 40 Milliarden. Laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wuchs der Anteil der Personen unter der Armutsgrenze zwischen 1998 und 2003 von 12,1 auf 13,5 Prozent. Seit Inkrafttreten von Hartz IV am 1. Januar 2005 nimmt die Armut weiter zu: Die Armutsquote der Hartz-IV-Empfänger - davor gut die Hälfte – erhöhte sich auf zwei Drittel, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mitteilt.
Von 2005 auf 2006 stieg die Zahl der von Sozialleistungen abhängigen Kinder um zehn Prozent: Im Jahresdurchschnitt lebten 1,887 Millionen Kinder unter 15 Jahren von Sozialgeld in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft, 173.000 mehr als im Jahr davor.
Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht: Laut Internationalem Währungsfonds steigen die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer im nächsten Jahr um 1,1 Prozent. In den meisten anderen EU-Staaten fällt der Reallohnzuwachs deutlich höher aus: Falls die Inflationsrate – wie in den vergangenen Monaten – im nächsten Jahr wieder höher sein sollte, könnte die Preissteigerung den Lohnzuwachs in seiner Gänze aufzehren. Damit droht ein weiteres Sinken der Kaufkraft, die das schwächste Standbein der Konjunktur ist. Zugleich erwachsen dem Exportweltmeister Deutschland Gefahren aus dem schwächelnden Dollar und dem folglich erstarkenden Euro.
Eine bundesweite Einführung von Mindestlöhnen könnte die Kaufkraft erhöhen, damit die Konjunktur beleben und drohende Exportverluste zum Teil ausgleichen. So paradox es klingt: Trotz einer Erwerbstätigkeit sind immer mehr Lohnabhängige auf die Zuzahlung von Arbeitslosengeld II angewiesen. Seit Hartz IV stieg die Zahl von 660.000 auf mehr als eine Million. Davon sind 440.000 Vollbeschäftigte (!).
Den Beweis, dass mit der Einführung von Mindestlöhnen Arbeitsplätze verloren gehen, gilt es erst noch anzutreten. Das Beispiel PIN zeigt, dass es trotz des bevorstehenden Rückzugs von Springer Investoren gibt, die in die Bresche springen und so die Vernichtung von Arbeitsplätzen verhindern. In Österreich gilt ab 2009 ein Bruttomindestlohn von 1.000 Euro. Netto bedeutet das: 818 Euro für Arbeiter, 820 für Angestellte. Der Satz liegt damit deutlich über der im Alpenland als Notstandshilfe bezeichnete Sozialhilfe von 726 Euro.
Es wird unter den gegebenen Verhältnissen schlechterdings unmöglich sein, die Gehälter der Konzernmanager nach oben zu begrenzen. Vielleicht bewirken die Appelle von Bundeskanzlerin Angela Merkel etwas, vielleicht nicht. Denkbar sind aber Regularien, die im Falle von Missmanagement die Zahlung von Abfindungen in Millionenhöhe verhindern, umso mehr, wenn gleichzeitig Beschäftigte entlassen werden.
Der Reichtum im reichen Deutschland ist also nicht gleich verteilt: Das muss – und kann - auch nicht sein. Der Anteil des Einzelnen an der Erwirtschaftung des Billionenvermögens ist ungleich. Gleichverteilung wäre Gleichmacherei, die ins Chaos führt. Ungleichverteilung kann aber auch ins Chaos führen. Insofern hängt von einer größeren Verteilungsgleichheit auch die Stabilität der deutschen Demokratie ab.
Quelle: ntv.de