Zwischenruf Wehrpflicht: Ja, aber anders!
23.08.2010, 15:23 Uhr
Landesverteidigung: So lautet der Verfassungsauftrag der Bundeswehr.
(Foto: dpa)
Wehrpflicht beibehalten, Bundeswehr verkleinern und einen Blick ins Grundgesetz werfen: Das wäre der richtige Weg. Verteidigungsminister Guttenberg sieht das aber anders.
Es gab die Wehrpflicht in deutschen Landen nicht immer, und es muss sie nicht immer geben. In den meisten Mitgliedsländern der NATO ist die Pflicht zum Dienst an der Waffe ohnehin abgeschafft. Die Frage ist, wozu eine Armee gebraucht wird und ob ihre Angehörigen fähig sind, diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Wenn die Bundeswehr entsprechend ihrem Verfassungsauftrag auf die Landesverteidigung beschränkt geblieben wäre, wäre die Frage einfach zu beantworten: Je mehr junge Männer auch nach Beendigung des Wehrdienstes Kenntnisse über die Bewältigung von Krisensituationen haben, desto besser. Zudem kann ein Grundwehrdienst zur Qualifizierung beitragen und so Kenntnisse vermitteln, die im Schulsystem immer mehr unter den Tisch fallen.
Eine Interventionsarmee, welche vorrangig für den Einsatz "out of area" bestimmt ist, benötigt hoch spezialisierte Fachleute. In den USA drängt eine immer größere Zahl junger Männer und Frauen in Army, Air Force und Navy, weil sie anderswo keine berufliche Perspektive sehen. Oft stammen sie aus sozialen Problemzonen, in denen humanistische Werte wenig gelten. Dilettantismus und Brutalität sind allzu häufig die Folge.
Herumeiern als Prinzip
Die sogenannte Wehrgerechtigkeit ist kein Argument für ein Freiwilligenheer. Wenn nur 17 Prozent eines jeden Jahrgangs eingezogen werden, läuft dies nicht notwendigerweise auf Ungerechtigkeit hinaus. Schon heute stammt die Mehrzahl der im Ausland eingesetzten Bundeswehrangehörigen aus den neuen Ländern, wo die beruflichen Perspektiven vielerorts gen null tendieren. Andererseits: Fast alle Offiziere und alle Generäle kommen aus den Ländern der alten Bundesrepublik. Chancengleichheit wird anders buchstabiert.
Der Vergleich mit der Reichswehr, die laut Versailler Vertrag eine Berufsarmee sein musste, mag hinken, weil die Festigkeit der demokratischen Strukturen nicht mit denen zwischen 1918/19 und 1933 zu vergleichen ist. Gleichwohl kann die Gefahr nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich eine Berufsarmee verselbständigt und in gesellschaftlichen Krisensituationen Ambitionen entwickelt, die über ihren Auftrag hinausgehen.
Wehrpflicht beibehalten, Bundeswehr verkleinern und einen Blick ins Grundgesetz werfen. Leider sieht die Konzeption des zuständigen Ressortchefs anders aus. Und dass seine Chefin herumeiert, ist ja nichts Neues, weil mittlerweile Prinzip.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de