Zwischenruf Wie man lernt, die Bombe zu akzeptieren
08.11.2011, 21:35 UhrDer Iran kann eine Atomwaffe bauen. Sagt die Internationale Atomenergiebehörde. Ein Krieg gegen den selbsternannten Gottesstaat könnte eine Katastrophe heraufbeschwören. Verhandlungen sind der einzige Lösungsweg.
Nun ist es amtlich: Der Iran hat am Bau einer Atombombe gearbeitet. Ob das Regime weitermacht, sagt der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA nicht. Der damalige Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA und heutige Pentagonchef, Leon Panetta, hatte im Juni vergangenen Jahres erklärt, in zwei Jahren könne das Land im Besitz von mindestens zwei nuklearen Sprengkörpern sein. Das ändert im Grundsatz nichts: Teheran kann nach Indien, Pakistan und Nordkorea kurzfristig zur nächsten Nuklearmacht werden, die nicht zu den Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrages gehört. Wie Israel. Das Land hat die Existenz eigener Nuklearwaffen stets dementiert, aber einen Mann wie Mordechai Vanunu, der dies öffentlich bekundet, hinter Schloss und Riegel gesperrt und ihn bis auf den Tag de facto unter Hausarrest gestellt.
Analog dazu war zu erwarten, dass Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad tönt, der IAEA-Bericht wäre der Organisation von den Vereinigten Staaten untergeschoben worden. Die Islamische Republik strebt nach Vorherrschaft in Nah- und Mittelost. Der schiitische Halbmond, den Israel von Teheran über Bagdad bis Beirut fürchtet, ist in konventionell-militärischer Hinsicht schon Wirklichkeit. Eine Atombombe würde das Szenario vervollständigen.
Kann die Welt mit einer iranischen Atombombe leben, wurde der Autor dieser Zeilen jüngst in Israel gefragt. Die Antwort: Ja, sie kann, wenn das erklärte Ziel des Iran nicht darin bestünde, den Staat Israel von der Landkarte zu tilgen. Die Zustimmung vom jordanischen Diplomaten über den israelischen Ex-Geheimdienstler bis zum jüdisch-orthodoxen Rabbi mag Bestätigung genug sein. Aber wie das Problem lösen? Ein israelischer Angriff auf iranische Atomanlagen, gleich, ob mit herkömmlichen oder atomaren Mitteln, würde einen Gegenschlag heraufbeschwören, dessen Folgen unabsehbar wären. Meir Dagan, bis vor kurzem Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, nennt eine Attacke deshalb zu Recht "eine dumme Idee".
Es ist beruhigend, dass Frankreich, das vor mehr als einem halben Jahrhundert immerhin Geburtshelfer des iranischen Nuklearprogramms war, Russland, das fleißig zivile Nukleartechnologie geliefert hat, und auch Deutschland einen Angriff auf den Iran ablehnen. Nebenbei: In den Siebzigern war die Bundesrepublik einer der wichtigen Lieferanten für zivile Nukleartechnologie, an welche die Mullahs nach dem Sturz des Schah-in-Schah Mohammad Reza Pahlevi 1979 nahtlos anknüpfen konnten.
Der Verhandlungsweg ist der einzige Weg, den Iran in die Schranken zu weisen. Mahmud Ahmadinedschad mag ein religiöser Fanatiker und machtbesessener Kleingeist sein. Ein Dr. Seltsam, der die Welt in die Luft jagt, ist er jedoch nicht.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de