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Zwischenruf Zar und Zarewitsch

Von Manfred Bleskin

Zarewitsch nannte man dereinst in Russland den Sohn des Zaren, der diesem in den meisten Fällen auf den Thron folgte. Präsident Wladimir Putin, Vater zweier Töchter, hat mit der Ernennung von Verteidigungsminister Sergej Iwanow zum Ersten Vize-Premier nun sozusagen einen Ziehsohn.

Der Schritt ist mit Blick auf die Präsidentenwahlen im nächsten Jahr ein unmissverständliches Zeichen. Putin wird nun wohl doch auf Verfassungstricks verzichten und nicht mehr antreten. Damit haben andere Thronprätendenten wie Dimitri Medwedjew oder KP-Chef Gennadi Sjuganow kaum noch eine Chance. Medwedjew ist zwar auch Erster stellvertretender Regierungschef und steht sogar der mächtigen Gazprom vor. Medwedjew gilt im Westen vor allem nach seiner Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos als liberaler Lieblingskandidat. Der Iwanow-Ukas Putins ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen. Und Sjuganow schleppt zwar wie Putin und Iwanow Hammer und Sichel mit sich herum, doch fehlen ihm zaristischer Doppeladler und Popensegen.

Felix Dserschinski, Gründer des KGB-Vorläufers Tscheka, dürfte sich in seinem Grab an der Kremlmauer zufrieden auf die andere Seite gedreht haben: Iwanow, Generalleutnant a.D., ist ein alter Vertrauter Putins, Oberstleutnant i.R., aus Geheimdienstzeiten. Sicher: Russland ist nicht die Sowjetunion, wie auch Iwanow sagt. Aber man wäre es gern wieder. Zumindest was die Rolle als Supermacht angeht.

Wenn Iwanow für Kontinuität steht, und was seinen bisherigen Äußerungen jedenfalls zu entnehmen ist, dann führt er den Kurs weiter, der vor sieben Jahren unter Putin seinen Anfang nahm. Das heißt: Im Inneren eine staatskapitalistische Wirtschaft mit einem Überbau aus christlicher Orthodoxie, „aufgeklärtem Zarismus und sowjetischem Patriotismus. Nach außen Machtdemonstration gegenüber den USA, die auch eine neue Runde des Wettrüstens nicht scheut, verbunden mit dem Ausbau der Zusammenarbeit mit den asiatischen Boomstaaten China und Indien und den mittelöstlichen Energiepotentaten des Iran und des arabischen Raums.

Moskau wird das kaukasische und zentralasiatische „nahe Ausland noch enger an sich binden. Engere Beziehungen zwischen der Ukraine und der NATO wird es dann wohl kaum geben, und eine Mitgliedschaft in der Atlantischen Allianz schon gar nicht. Mit misstrauischer Aufmerksamkeit wird im Kreml schon registriert, dass die Europäische Union eine Änderung ihres harten Kurses gegenüber dem Belarus von Alexander Lukaschenko auch nur in Erwägung zieht. Das Europa westlich des Bug wird eine Mischung aus Freund und Gegner bleiben. Putin wie Iwanow sind sich des Umstands bewusst, dass ihr ökonomischer Wachstumskurs ohne eine enge wirtschaftliche Kooperation mit der EU auf Sand gebaut ist.

Vorbei also die Zeiten, in denen ein angesäuselter Kremlchef zu allem, was aus dem Westen kam, Ja und Amen sagte. Fracksausen brauchen wir deshalb aber nicht zu kriegen.

Quelle: ntv.de

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