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Vergangenheitsbewältigung Zwischenruf 307

Von Manfred Bleskin

Nun ist es regierungsamtlich: Das Bild von Hitlers langjährigem Außenminister Konstantin von Neurath in der deutschen Botschaft in London darf hängen bleiben.

Dies sei keine Würdigung von Angehörigen des Auswärtigen Dienstes, die für "Verbrechen des Nationalsozialismus" mitverantwortlich seien, sondern "eine bildliche Information über ehemalige Behördenleiterinnen und Behördenleiter deutscher Auslandsvertretungen."

Freilich: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein Bild keine Außenpolitik. Aber der Mann, um den ist geht, war keine weiße Friedenstaube. Neurath, zeitweilig Botschafter Hitlers in London, dessen Chefdiplomat, hochrangiges Mitglied der SS und schließlich "Reichprotektor von Böhmen und Mähren" und als solcher Vorgesetzter des von tschechischen Widerstandskämpfern erschossenen Reinhard Heydrich. Neurath war ein schwarzbrauner Kriegsfalke. Als solcher wurde er 1946 vom Nürnberger Tribunal zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Über ein Bild könnte man – vielleicht – noch hinwegsehen, aber im Auswärtigen Amt gab es bei der Vergangenheitsbewältigung schon immer so einige, sagen wir, Schwierigkeiten. Man erinnere sich – nur – an die Diskussion 2005 um Franz Krapf, der Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Botschafter der Bundesrepublik in Tokio und bei der Nato, vor 1945 aber schon im Auswärtigen Amt tätig, NSDAP-Mitglied, Ehrenuntersturmführer der SS und Mitarbeiter des Sicherheitshauptamtes der SS war. Als der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer verfügte, dem 2004 Verstorbenen künftig kein ehrendes Gedenken im Amtsblatt des AA mehr zukommen zu lassen, ging ein Aufschrei durch manche Etagen des Hauses am Werderschen Markt.

Die von Fischer ins Leben gerufene unabhängige Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Auswärtigen Amtes hat sich zum Neurath-Bild noch nicht geäußert. Sie sollte es schleunigst tun. Das Abbild des Kriegsverbrechers ist ein Schlag ins Gesicht derer, die im Kampf gegen die Nazi-Diktatur ihr Leben lassen mussten. Man kann nicht des Klaus Graf Schenk von Stauffenberg gedenken ohne Konstantin Freiherr von Neuraths Konterfei abzuhängen. Frei nach dem Luther-Mitstreiter Karlstadt: Solch Bild stiehlt den Männern des 20. Juli und all den anderen die Ehre.

Quelle: ntv.de

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