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Der Stich ins Wespennest Zwischenruf

Von Manfred Bleskin

Bei einem Bombenanschlag in Zahedan, der Hauptstadt der im Südosten des Iran gelegenen Provinz Sistan-Belutschistan, sind 18 Menschen getötet worden. Just, als ein Bus mit Angehörigen der Revolutionsgarden genannten Elitetruppe des Regimes vorüberfuhr. Sistan-Belutschistan ist die zweitgrößte Provinz des Landes und grenzt an Afghanistan und Pakistan. Die Belutschen Irans sind wie ihre Verwandten in den Nachbarstaaten mehrheitlich Sunniten, jener islamischen Glaubensrichtung, deren Angehörige sich mit den Schiiten im Irak bis aufs Blut bekämpfen und im Libanon immer wieder kurz davor stehen.

Belutschistan ist nicht der einzige Unruheherd im Iran. Auch die mehrheitlich von sunnitischen Arabern besiedelte Provinz Khuzestan ist Schauplatz von Konfrontationen mit der schiitischen Zentralregierung. In Khuzestan befinden sich die größten Erdölreserven des Mullahstaates. Die Menschen dort finden, wohl nicht zu Unrecht, dass sie am schwarzen Goldsegen des Landes nicht angemessen beteiligt werden.

Und weiter: Im Norden des Iran leben überwiegend Aseri, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Sie sind im Unterschied zu den meisten anderen Turkvölkern zwar überwiegend Schiiten, fühlen sich aber zu einem beträchtlichen Teil zu dem säkular regierten Aserbaidschan hingezogen. Auch in den drei aserischen Provinzen des Iran kommt es immer wieder zu Zusammenstößen. Zudem sind die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und dem Iran gespannt. Zu den Streitpunkten gehört der Status des Kaspischen Meeres, nicht zuletzt wegen der riesigen Ölvorkommen in der Region.

Die iranische Bevölkerung ist also alles andere als ein homogenes Ganzes, das verzückt dem Atomknüppel schwingenden Mahmud Ahmadinedschad hinterher rennt. Die Perser bilden lediglich die Hälfte der iranischen Bevölkerung, und auch die haben unter dem Sozialabbau des angeblichen Wohltäters genug zu leiden.

In die Kriegsrhetorik Washingtons gegenüber Teheran mischen sich in den vergangenen Tagen immer wieder Töne, die bedenklich an die Lügenkonstrukte vor dem Irakkrieg erinnern. Stichworte: österreichische Waffen, die der Iran an schiitische Milizen im Irak geliefert haben soll, das angebliche Verschwinden des irakischen Schiitenführers Muktada al-Sadr in den Iran, der angebliche Mordbefehl Teherans gegen US-Soldaten im Irak.

Sollte sich die Bush-Administration entgegen allen Warnungen zu einem Angriff auf den Iran entschließen, dann böte das Land in kurzer Zeit jenes Bild, das wir heuer aus dem Irak kennen. Der Flächenbrand, der durch den Einmarsch in den Irak ausgelöst wurde, rückte dann auch immer näher an die Interessensphäre Russlands heran. Aus einem neuen Kalten Krieg, vor dem Kremlchef Wladimir Putin in München gewarnt hat, könnte rasch ein heißer werden. Oder zumindest ein lauwarmer, bei dem Russen und US-Amerikaner Stellvertreterkämpfe austragen würden.

Bei aller gebotenen Skepsis gegenüber dem Atomdeal mit Nordkorea: Verhandlungen sind der einzige Weg Streitfragen zu lösen. Das sollten auch die Falken in Washington begreifen. Allein: Nordkorea hat kein Erdöl.

Quelle: ntv.de

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