Person der Woche

Person der Woche Die Plaudertasche: Sigmar Gabriel

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Mit der Edathy-Affäre bekommt Gabriels Image wieder Risse.

Mit der Edathy-Affäre bekommt Gabriels Image wieder Risse.

(Foto: dpa)

Gerade hat Sigmar Gabriel sich in staatsmännische Pose geworfen, um als Superminister eine seriöse Energiewende zu organisieren. Nun holt ihn mit der Edathy-Affäre eine seiner Schwächen dramatisch ein: das lose Mundwerk.

Lange Zeit wurde Sigmar Gabriel als Lothar Matthäus der deutschen Politik belächelt: groß im Wort, klein in der Seriosität. Doch im letzten Halbjahr besserte sich sein Ansehen. Nach der bitteren Wahlniederlage hat er Angela Merkel bei den Koalitionsverhandlungen verblüffend viel abgetrotzt und die SPD geschickt in die Regierung geführt. Mit dem Wirtschafts- und Energieministerium wollte er sein persönliches Image vom schwertmauligen Umverteiler zum Wirtschafts- und Wohlstandslenker wandeln - mehr Ludwig Erhard und weniger Che Guevara war angesagt, um als mächtiger Superminister zum gefühlten Kanzlerkandidaten für 2017 aufzusteigen. Doch mit der Edathy-Affäre bekommt das neue Image schwere Risse. Plötzlich ist er wieder da: der unzuverlässige Dampfplauderer.

Gabriels Verhalten in der Affäre wabert irgendwo zwischen peinlich, indiskutabel und strafbar. Als Ex-Innenminister Friedrich ihn in das heikle Geheimnis einweihte, da hätte er mit der explosiven Information diskret und verantwortungsvoll umgehen müssen. Er hätte Edathy qua eigener Autorität bis zur Klärung der Angelegenheit aus wichtigen Ämtern fernhalten und ansonsten schweigen müssen. Gabriel aber wisperte drauf los, sodass nun sogar der - rechtlich schwerwiegende - Vorwurf der Strafvereitelung im Raum steht. Der Fall wird für ihn gefährlich.

Denn jenseits der Frage, ob Edathy mit Gabriels Hilfe von der Verfolgung durch die Ermittlungsbehörden erfuhr oder nicht, ist eines schon gewiss: Der Vizekanzler hat mit seiner Geschwätzigkeit die Regierung schwer beschädigt. Ein Minister musste zurücktreten, die Große Koalition ist in eine Krise gestürzt, eine Staatsaffäre weitet sich aus und die SPD hat alle Hände voll zu tun, sich mit ihrem dubiosen Vorgehen einen schlanken Fuß in der Affäre zu machen. So oder so - Gabriel hat sich nicht korrekt verhalten und ist damit als Vizekanzler ziemlich blamiert.

In der SPD tanzt keiner mehr

Für den SPD-Vorsitzenden ist die Sache um so ärgerlicher, als er gerade dabei war, sein schillerndes Image zu verbessern. Staunend sah die Republik zu, wie leise und geschickt Gabriel einen weitgehend sozialdemokratischen Koalitionsvertrag aushandelte und mit seiner SPD auch das Regierungshandeln weiträumig prägte. Er verkündete sogar selbstbewusst einen "Neustart der Energiewende" und stellte damit die CDU mit ihrem bisherigem Umweltminister Altmaier als Trottel dar. Die Union nickte die Gabrielsche Energiewende nicht nur brav ab, sie warf sich ihm geradezu zu Füßen, obwohl in seiner Energiewende die planwirtschaftlichen Elemente alles andere überlagern und die deutsche Industrie offen schockiert ist. Das mit dem glatten Neustart wird sich nun ändern. Gabriel dürfte jetzt sachpolitisch neuen Widerstand in der Koalition zu spüren bekommen.

Das gilt auch für seine drei ideologischen SPD-Großprojekte Rentenreform, Mietpreisbremse und Mindestlohn. In allen drei Fällen sind viele Details noch strittig. Also wird die Union der SPD nun bei diesen Themen ihre Ansprüche zeigen. Denn nach dem Schwarzer-Peter-Spiel Gabriels in der Edathy-Affäre will man ihm nicht mehr applaudieren und servil die Mehrheiten heranschaffen.

Auch innerhalb der SPD schwindet seine Autorität nun wieder. Er hatte für einige Wochen die unumstrittene Führungsrolle in der Sozialdemokratie an sich gerissen. Alles schien nach Gabriels Pfeife zu tanzen. Nun tanzt bei den Sozialdemokraten keiner mehr, nun ist erst einmal politisches Aussitzen angesagt.

Der Weg ist weit

Doch das ist eine Spezialität in Sigmar Gabriels Leben. Er hat sich immer wieder geduldig durchbeißen müssen, wo andere aufgegeben hätten. Das hat bei ihm sogar Methode - seit seiner bitteren Kindheit. Gabriel kam als zweites Kind eines Kommunalbeamten und einer Krankenschwester zur Welt. Die Eltern trennten sich, als er drei Jahre alt war. Gabriels ältere Schwester Gudrun blieb bei der Mutter, er selbst wuchs - gegen seinen Willen - in den ersten zehn Lebensjahren bei seinem Vater auf, der auch nach dem Weltkrieg noch überzeugter Nationalsozialist geblieben war. Gabriel hielt tapfer durch, und 1969 - endlich - erhielt seine Mutter nach mehrjährigen juristischen Auseinandersetzungen das Sorgerecht.

Auch 2003 bewies Gabriel seine Steherqualitäten. Er durchlitt einen tiefen Fall, und nach der verheerenden Wahlniederlage gegen Christian Wulffs CDU schien sein Politikerleben in Scherben zu liegen. Einzig das neu geschaffene Amt des "Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs" der SPD (kurz "Popbeauftragter") blieb ihm, was ihm den Spitznamen Siggi Pop einbrachte. Doch Schritt für Schritt kam Gabriel zurück. Genau wie nach der Wahlniederlage 2013. Er wird immer dann gut, wenn die Dinge schlecht stehen. Nun stehen sie wieder einmal schlecht. Gabriels Weg zur Kanzlerkandidatur 2017 ist ziemlich weit geworden.

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Wolfram Weimer präsentiert hier zum zweiten Mal die "Person der Woche" bei n-tv.de. Weimer ist einer der renommiertesten Publizisten Deutschlands. Er war Chefredakteur der Tageszeitungen "Die Welt" und "Berliner Morgenpost" sowie des "Focus". Weimer ist außerdem Gründungsherausgeber des von ihm 2004 geschaffenen Politik-Magazins "Cicero". Seit 2012 gibt er als Verleger in der Weimer Media Group eine Reihe von  Wirtschaftsmedien wie den "Wirtschaftskurier" und die "Börse am Sonntag" heraus.

Quelle: ntv.de

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