Person der Woche

Person der Woche: Abu Walaa Kann Deutschland nicht einmal den IS-Terrorchef abschieben?

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Nach dem Terror-Angriff in Moskau fürchtet die Bundesregierung, dass auch Deutschland islamistische Attentate drohen. Potenzielle Ziele reichen vom Kölner Dom bis zur Fußball-EM. Ausgerechnet jetzt naht die Freilassung des inhaftierten Deutschland-Chefs des Islamischen Staats.

Die deutschen Sicherheitsbehörden schlagen Alarm. Nach dem islamistischen Terroranschlag auf eine Moskauer Konzerthalle fürchten Polizei und Bundesregierung, dass auch Deutschland ins Visier der IS-Terrorgruppen aus Zentralasien gerät. Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt ungewöhnlich direkt: "Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus ist akut", sagt die Sozialdemokratin. Insbesondere von den zentralasiatischen IS-Terrorgruppen "geht derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus".

Abu Walaa während seines Prozesses im Jahr 2020 in Celle.

Abu Walaa während seines Prozesses im Jahr 2020 in Celle.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)

Seit November warnen westliche Geheimdienste, dass sich eine Terror-Armee unter dem Namen "ISPK" (Islamischer Staat Provinz Khorasan) gebildet habe, die ein radikalislamisches Kalifat in Afghanistan, Pakistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan anstrebt. "Khorasan" ist die historische Bezeichnung für die Region zwischen Hindukusch und Kaspischem Meer. Die ISPK hält die Taliban für zu moderat und plant offenbar medienwirksame Massenermordungen von Christen - so wie jetzt in der Moskauer Konzerthalle, wo 137 Menschen getötet wurden.

Die Geheimdienstberichte listen als akute Anschlagsziele den Kölner Dom und den Stephansdom in Wien auf. Auch die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und die Olympischen Spiele in Paris seien im Visier der Islamisten. Mehrere Verdächtige wurden bereits vorübergehend festgesetzt; ein 30-jähriger Tadschike hatte den Kölner Dom ausspioniert und wurde im niederrheinischen Wesel festgenommen. Bereits im vergangenen Juli hatte die Bundesanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen eine mutmaßliche islamistische Terrorzelle aufgedeckt und sieben verdächtige Tadschiken festnehmen lassen. Auch sie waren Mitglieder des IS-Ablegers ISPK.

Der IS-Mann in Deutschland

Erst vor knapp einer Woche waren in Gera zwei ISPK-Verdächtige aus Afghanistan festgenommen worden, die einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben sollen. Laut dem Washington Institute for Near-East Policy plante der ISPK 2023 insgesamt 21 Angriffe in neun verschiedenen Ländern. Die Rückkehr des IS-Terrors alarmiert die deutschen Behörden auch deshalb, weil in Deutschland mehrere Dutzend aktive Kämpfer vermutet werden. Ihr ideologischer Anführer ist der vierzigjährige Abu Walaa, dessen richtiger Name Ahmad Abdulaziz Abdullah A. lautet. Der salafistische Prediger stammt aus Kirkuk/Irak, reiste 2001 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Er scheiterte beruflich als Kleinhändler von Jeans und Softdrinks. Stattdessen verlegte er sich zusehends auf radikale Hasspredigten und den Aufbau einer Terrorvorfeldorganisation rund um die Moschee in Hildesheim.

Abu Walaas Followerschaft geht in die Zehntausende, auch Anis Amri, der 2016 den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verübte, gehörte zum Netzwerk Abu Walaas. Im November 2016 nahm die Polizei ihn in Bad Salzdetfurth mit vier Komplizen in Hildesheim sowie Nordrhein-Westfalen fest. Der NRW-Innenminister Ralf Jäger sagte nach der Festnahme: "Uns ist ein empfindlicher Schlag gegen Chefideologen der salafistischen Szene in Deutschland gelungen." Im Februar 2021 wurde er wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt.

Abu Walaa soll Deutschland verlassen

Heute sitzt Abu Walaa in der Justizvollzugsanstalt Willich hinter Gittern. Er gilt noch immer als ideologische Leitfigur der IS-Terrororganisation. Nach sechs Jahren Untersuchungshaft verbüßt er seit zwei Jahren seine Haftstrafe, er hat also bereits 8 Jahre im Gefängnis verbracht. Es steht im Raum, dass er bald Freigänge bekommt und aus der Haft in den deutschen Alltag entlassen wird. Die Sicherheitsbehörden fürchten, dass Abu Walaa sofort wieder für den IS-Terror aktiv werden könnte. Der Landkreis Viersen hat daher im September eine Ausweisungsverfügung in den Irak beantragt, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtete. Doch Walaa wehrt sich dagegen.

Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht bestätigt Ende Januar den Eingang einer Klage gegen den Ausweisungsbescheid. Obwohl Walaa als einer der gefährlichsten Islamisten Deutschlands gilt, stehen die Chancen auf seine Abschiebung eher schlecht. Derzeit leben hierzulande etwa 26.000 ausreisepflichtige Iraker. Im gesamten Jahr 2022 wurden allerdings nur 77 Personen direkt in den Irak abgeschoben. Im Jahr 2023 war es eine niedrige dreistellige Zahl. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz, angekündigten "Abschiebungen im großen Stil" sind bislang ausgeblieben, die Rücknahmen im Irak gestalten sich mühsam.

Im Fall Abu Wallas dürfte die Regierung in Bagdad gar kein Interesse daran haben, den IS-Spitzenkader zurückzunehmen. Gegen die Ausweisung spricht zudem, dass er sieben Kinder von zwei Frauen hat. Mit seiner Hauptfrau vier Kinder, mit seiner Zweitfrau drei Kinder - alle leben in Deutschland.

Quelle: ntv.de

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