
Merz hat einen Lauf. Wenn nur diese Facehugger nicht wären.
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Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat an Statur gewonnen. Leider wuseln ihm ständig die Rechtsextremen zwischen den Beinen herum.
Kennen Sie so Tage, an denen alles super läuft? Ich auch nicht, aber CDU-Chef Friedrich Merz hat grad mehrere davon. Er hat einen Lauf. Der Lauf zielt auf das Kanzleramt. Anfang des Monats zeigte ihn der "Stern" auf dem Titel in "Mission Kanzleramt", da hängt er an einem Hubschrauber über dem Regierungsviertel - eben wie bei "Mission Impossible". "Er wirkt ruhiger, entspannter, disziplinierter", heißt es im Editorial. Und nicht nur der "Stern" hat Merzfieber: Die FAZ schreibt heute früh: "Merz saniert die CDU", denn "Merz hat einen Lauf".
Einen "neuen Fritz" präsentiert wiederum Mariam Lau in einem lesenswerten Porträt in der "Zeit". Merz’ Vater sei in der amerikanischen Besatzungszone einer der ersten Richter gewesen, die im sauerländischen Arnsberg NS-Prozesse übernahmen, das Studium dieser Akten habe dann auch den neuen Fritz zum Jurastudium bewogen. "Der Staat gegen Fritz Bauer - das Filmporträt des hessischen Generalstaatsanwalts im großen Frankfurter Auschwitz-Prozess - ist einer seiner Lieblingsfilme."
Ach deshalb neuer Fritz. Da soll noch einmal einer behaupten, Merz sei beim Thema Rechtsextreme ambivalent!
AfD mit Substanz fast vergessen
Fast vergessen ist da sein idiotisches Gerede von der "Alternative für Deutschland mit Substanz". Das ist jetzt alles recht vorbildlich kommuniziert von Merz und seinem Team. Lau notiert dann aber noch dies: Auch in Merz’ eigener Partei bemerke man, dass der Vorsitzende sich länger keine "face-grabber" geleistet habe: Also wörtlich "Gesichtsgreifer", öffentliche Auftritte, nach deren Bewältigung man sich vor Fassungslosigkeit mit der Hand ins Gesicht fasst. Also "AfD mit Substanz" und solche Sachen.
Face-grabber? Das ist so englisch wie "Handy", "Beamer" oder "Homeoffice", nämlich gar nicht. Es gibt aber den "face hugger", das ist das Krabbelvieh aus "Aliens", das ins Gesicht springt und später kreischend und blutüberströmt aus dem Bauchraum herausbricht. Sie kennen diese Filme. Und ich komme darauf zurück.
Wo waren wir? Merz also hat grad gute Presse. Er absolviert tatsächlich unfallfreie Auftritte, etwa in Brüssel, wo auffällt, dass er exzellentes Englisch spricht und dabei wie so viele Menschen deutlich charmanter wirkt als auf Deutsch. Im Bundestag treibt er verlässlich die Ampel vor sich her, etwa wenn er den Kanzler zum "Klempner der Macht" diminuiert.
Merz hat es nicht schwer
Merz hat es allerdings auch nicht sonderlich schwer: Es ist wie beim Dosenwerfen auf dem Jahrmarkt, wenn ein wohlwollender Standbetreiber fest gegen den Tisch tritt, damit auch wirklich alle Dosen fallen und das kleine Mädchen den großen Teddybären bekommt. Denn die Ampel macht auf den wichtigsten politischen Brandherden eine derart lächerliche Figur, dass wirklich niemand sie verfehlen kann.
Etwa beim Thema Ukraine: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will den Krieg "einfrieren" wie Brokkoli, denn Menschenrechtsverletzungen und Gemetzel kann man immer gebrauchen wie Brokkoli. Dass er damit für Kopfschütteln in der Ampel und "eisiges Schweigen" auch in der eigenen Partei sorgte, notierte Merz so genüsslich, als tauche er einen Löffel ins Tiramisu.
Da ist die Bezahlkarte: Eine eigentlich verabredete und als elementar wichtig vermarktete Maßnahme droht an den Grünen zu scheitern. Der Eindruck setzt sich fest: In der Migrationspolitik ist mit der Bundesregierung kein Staat zu machen - nicht, solange die Grünen das Sagen haben. Da kann man als Union prima draufhauen.
Ein Kompass mit drei Nadeln
Falls die Ampel so etwas wie einen politischen Kompass besitzt, hat er offenbar mindestens drei Nadeln und alle zeigen in eine andere Richtung. Das ist toll für eine Opposition, die sich richtungsmäßig halbwegs gefunden hat: Cannabis und Gendern verbieten, Taurus für die Ukraine, Bürgergeld zur "Neuen Grundsicherung" herunterstutzen. Da fallen Dissonanzen zwischen CSU und CDU beim Umgang mit den Grünen kaum noch auf.
Das Problem ist allerdings der Facehugger, die wuselnde Alien-Larve. Die CDU hat auch so einen. Er wuselt ständig zwischen ihren Beinen herum, man denkt, er ist eigentlich schon weg oder tot, doch im ungünstigsten Moment landet er, patsch, mitten im Gesicht, würgt mit dem Schwanz und legt Alieneier im Bauchraum ab. Dieser Facehugger ist das Verhältnis der CDU zu den Rechtsextremen, versinnbildlicht durch die "Brandmauer" - und ist gefährlicher als ein Face-Grabber, das weiß Merz.
Wie wundgescheuert der Vorsitzende bei diesem Thema ist, zeigte er kürzlich im Bundestag. Der SPD-Fraktionsvize Achim Post hatte in seiner Rede CDU und CSU vorgeworfen, sie würden Helmut Kohl dazu bringen, sich im Grab umzudrehen - nämlich bei der Europawahl setzen "auf ein Bündnis mit Christdemokraten, Konservativen, Rechtsradikalen und Postfaschisten". Das saß.
"Was ist das denn für ein Scheißdreck?"
Merz: Explodierte. Fluchte. "Was ist das denn für ein Scheißdreck!", rief er laut Protokoll, und "Was ist das denn?", dann wieder "Wie kommen Sie denn überhaupt dazu, so einen Scheißdreck hier zu erzählen!"
Dieser, nun, "Austausch", fand am Mittwoch im Plenum statt. Am Donnerstag wirkte der Vorwurf von Achim Post etwas weniger infam: In Dresden hat die CDU mit der AfD gestimmt, weil die Ampel die Bezahlkarte nicht auf die Kette bekommt. Sie hat sich nicht von der AfD helfen lassen - es ist andersherum: Die AfD bekam Zustimmung für ihren Antrag von der CDU.
Einen "Fehler" nennt Merz das schmallippig auf einer Pressekonferenz, man werde das jetzt "untersuchen". Als ginge es um ein kompliziertes Reaktorleck - oder eben einen Facehugger, der offenbar noch immer nicht tot ist.
Was macht der "neue Fritz"?
Wenn Merz die grad entwickelte Kanzlerstatur behalten will, muss er jetzt eine schwierige Balance schaffen. Er darf nicht jene verschrecken, die die Union womöglich wegen Verlässlichkeit, Leitkultur und rigider Migrationspolitik wiederentdecken. Und er darf nicht wackeln beim Thema AfD, sonst nennt ihn niemand mehr "neuen Fritz".
Es ist ein Hürdenlauf über Brandmauern.
Quelle: ntv.de