Pressestimmen

Sicherungsverwahrung Beruhigend ist das nicht

Die Bundesregierung findet einen Kompromiss in der schwierigen Frage der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Ob er gerichtsfest ist, bleibt zunächst offen. Die Kommentatoren der Print-Presse sehen noch viele Probleme ungelöst.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Rhein-Zeitung schreibt: "Heikel bleibt der Umgang mit den Altfällen. Gerade jenen, die bereits entlassen worden sind. Prüfen will die Koalition jetzt, ob die neue Form der Unterbringung auch noch rückwirkend auf solche Straftäter angewendet werden kann. Beruhigend ist das nicht. Man kann daher nur hoffen, dass sich das Ergebnis am Interesse der Allgemeinheit und nicht der Täter orientiert."

Die Berliner Zeitung meint: "Es entsteht eine Art Vorsorgegesetz, das nur für die rund 60 Straftäter gilt, die bald entlassen werden müssten. Niemand vermag derzeit ihre Gefährlichkeit einzuschätzen; auch nicht, ob sie in die Sicherungsunterbringung eingewiesen werden können. Zudem sollten sich die Politiker einer Grundlage unseres Strafrechts erinnern: Verurteilte büßen für ihre Straftaten mit der Haft. Neben dem Schutz der Bevölkerung muss es Ziel bleiben, dass Straftäter in ein normales Leben zurückfinden können. Ein Wegsperren für immer, das einst SPD-Kanzler Gerhard Schröder forderte, kann deshalb nur Ausnahme bleiben. Das gilt auch für die Sicherungsunterbringung."

Die Lübecker Nachrichten sehen die Regierung überfordert, wenn sie schreibt: "Statt weiter über Fußfesseln zu streiten, will die Koalition nun völlig neue Einrichtungen für Gewalttäter schaffen. Dabei kann selbst Innenminister Thomas de Maizière noch nicht konkret erklären, wie die neuen Anstalten aussehen. Man werde etwas anderes als Strafanstalten oder geschlossene Psychiatriestationen schaffen. Es ist nicht zu übersehen: Das Straßburger Urteil trifft die Justizpolitiker unvorbereitet. Ob die in den vergangenen Wochen bereits Freigelassenen gegen ihren Willen in den neuen Einrichtungen untergebracht werden können, ist völlig offen. Währenddessen sind in Straßburg und Karlsruhe bereits Dutzende neuer Verfahren anhängig. Die neuen Therapie-Einrichtungen werden also dringend gebraucht."

Der Mannheimer Morgen sieht einen Erfolg: Künftig wird das Prinzip Sicherheit zuerst durch die Unterbringung hochgradig gefährlicher Gewalttäter hinter Gittern auch nach der Haft umgesetzt. Diese geschlossene Anstalt erfüllt das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Gleichzeitig lässt sie dem Staat die Möglichkeit, rückfallgefährdete Kinderschänder oder Vergewaltiger notfalls doch so lange von der Gesellschaft fernzuhalten, wie sie sich nicht als therapier- oder heilbar erweisen. Und sie eröffnet Verbrechern die vom Gerichtshof angemahnte Perspektive auf Freiheit. Damit steigen die Chancen, dass die Gesetzesänderung eine erneute Klage übersteht.

Der Reutlinger General-Anzeiger ist besorgt: "In der Zwischenzeit könnten weitere Straftäter, die sogenannten 'Altfälle', die sich auf das Straßburger Urteil berufen können, freigelassen werden. Und hier offenbart sich eine weitere Schwäche des Gesetzentwurfs: Denn für die bereits frei gelassenen Straftäter gilt das Gesetz nicht. Das wiederum hat zur Folge, dass für diese Täter weiterhin eine kosten- und personalintensive Überwachung notwendig ist. Die Justizministerin will die Unterbringung dieser Täter prüfen - zu Recht: Denn solange gefährliche Straftäter auf freiem Fuß sind, kann von einer Ideallösung keine Rede sein."

Das Coburger Tageblatt meint: "Es werden also Schwerverbrecher aus der Sicherungsverwahrung freikommen. Die Frage ist nur, wann und unter welchen Voraussetzungen. Hier erscheint der Berliner Regierungskompromiss, der zumindest für Triebtäter zunächst die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung vorsieht, als gangbarer Weg."

Die Stuttgarter Zeitung kommentiert: "Straftäter, die nach Verbüßung ihrer Haft bisher weiter in den Justizvollzugsanstalten einsaßen, sollen nun in neu zu gründenden Einrichtungen untergebracht werden, in einem Zwischending zwischen Gefängnis und Psychiatrie. Am Ende dieses Aufenthalts soll die Möglichkeit auf ein Leben in Freiheit stehen. Denn in der Sicherungsunterbringung sollen Therapie und Vorbereitung auf ein Leben ohne Rückfallgefahr im Vordergrund stehen. Das kostet Geld und ist personalintensiv, wurde aber bisher in manchen JVAs praktiziert. Still und ohne Beteiligung des Stammtischs und der Sensationspresse. Denn das ist der einzige Weg zu einer relativen Sicherheit. Keine Regelung schafft absolute Sicherheit."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Kurt Schulz

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