Neuwahlen in Kiel "Beste Lösung"
16.07.2009, 20:28 UhrDie große Koalition in Schleswig Holstein ist am Ende. Sie ist offenkundig an der gegenseitigen Abneigung von CDU-Ministerpräsident Carstensen und SPD-Chef Stegner gescheitert. Die Presse will daran allein nicht glauben. Für sie steckt auch politisches Kalkül dahinter.

Über eine Auflösung des Landtages in Schleswig-Holstein wird erst am Montag entschieden.
(Foto: AP)
Der Nordbayerische Kurier vergleicht die Situation in Kiel mit dem Ende einer schlechten Ehe: die Partner seien total zerrüttet und die Gemeinsamkeiten erschöpft. Die Große Koalition ginge zu Ende, weil die Männerfeindschaft zwischen Ministerpräsident Carstensen und SPD-Landes- und Fraktionschef Stegner unerträglich geworden sei. Überraschend kommt dies für das Bayreuther Blatt nicht, denn Carstensen könne nun "(…) auf Schwarz-Gelb spekulieren, wenn in Kiel zeitgleich mit der Wahl im Bund am 27. September über die politische Zukunft entschieden" werde. Der Grund liegt für die Zeitungsmacher offen auf der Hand: "Der Ministerpräsident will mit dem Bundestrend im Rücken die Sozialdemokraten im Norden von der Macht fernhalten."
"Die beiden konnten nie miteinander, und darin lag eine Hauptursache für die Turbulenzen im Land. Ist das ein Grund, eine Koalition platzen zu lassen?", fragen die Nürnberger Nachrichten. Das Blatt rät den Sozialdemokraten, den Bruch nicht zu lange hinauszuschieben: "(…) schlechte Verlierer haben kein gutes Image. Es kommt auf die Wahlkämpfer an, ob am Ende tatsächlich jene feiern können, die nun schon Resultate vorwegnehmen: FDP-Chef Westerwelle bejubelt bereits ein "Fanal" für den Bund. Vielleicht sollte er abwarten, was die Wähler wollen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung reagiert mit Unverständnis. Für sie ist die persönliche Unverträglichkeit zweier Führungsgestalten in einer Koalition kein triftiger Grund für die vorzeitige Auflösung eines Landtags. "Nun aber wird es aller Voraussicht nach doch dazu kommen, weil den beiden Dickschädeln Carstensen und Stegner das Format fehlt, die Abneigung, die sie gegeneinander hegen, hinter die Verantwortung zurücktreten zu lassen, die sie von ihren Wählern übernommen haben. Abgesehen davon, dass beide schon innerparteilich nicht unumstritten sind, haben sie sich damit auch nach außen hinreichend für künftige Führungsaufgaben disqualifiziert." Zudem, so die Zeitungsmacher, sei es reines Hoffnungsdenken, dass durch Carstensens Befreiungsschlag "klare Verhältnisse" im Norden geschaffen würden.
Für die Stuttgarter Zeitung ist der Bruch mit der Vernunftehe die beste Lösung: "In Kiel liefen die Dinge von Anfang an gänzlich anders und deshalb ist jeder Tag, den diese zutiefst verfeindete Koalition weiter regiert, einer zuviel". Dies müsse auch SPD-Landes- und Fraktionschef Stegner begreifen. Überdies seien Neuwahlen auch im Interesse der SPD und der Union im Bund. "Denn eine Fortsetzung der Kieler Groteske würde den Bundestagswahlkampf beider Parteien überschatten. Noch lässt sich das Schauspiel in Berlin als Kieler Provinzposse abtun. Ein wochenlanges Sommertheater würde dagegen unweigerlich die Frage aufwerfen, was die Parteivorsitzenden dagegen zu tun gedenken."
Die Rhein-Neckar-Zeitung betrachtet das Geschehen in Kiel ganz pragmatisch. Das Dilemma bestehe einfach darin, "(…), dass die Wähler die beiden großen Parteien zum gemeinsamen Regieren verdammt haben - ganz ähnlich wie im Bund. Doch sowohl auf Landes- als auf Bundesebene ist nicht klar, ob die nächste Wahl wirklich klare Verhältnisse schaffen wird."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de