Der Kopf der Hydra wächst wieder nach Bin Laden ist schon heute Geschichte
02.05.2011, 20:31 Uhr"Der König ist tot, es lebe der König" hieß es im Frankreich des 19. Jahrhunderts beim Tode Ludwigs XVIII. Betont wurde damit die Kontinuität der französischen Erbmonarchie. Frei nach dieser Formel sehen auch die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen das Ende Osama bin Ladens. Der Terrorchef ist tot, ein neuer wird kommen und die Al-Kaida bleibt existent. Zwar fehlt der Hydra der wichtigste Kopf, aber schon wachsen ihr zwei neue nach. Will sagen, die Terrorgefahr bleibt und sollte keineswegs unterschätzt werden.

Noch halten sich die US-Behörden mit genauen Angaben zurück, ob Bin Laden an dieser getötet wurde.
(Foto: Reuters)
So bemerkt denn nach der Kölner Stadtanzeiger, dass nach dem Ende bin Ladens der Kampf gegen den Terror weder beendet noch gewonnen sei. "Die Herausforderung, Staaten wie Pakistan, Syrien oder den Iran nachhaltig davon abzubringen, Terror als Machtmittel einzusetzen, bleibt. Dennoch gilt: Die Nachricht vom Tod des Osama bin Laden ist eine gute Nachricht. Besonders für die Muslime."
Die Berliner Zeitung behauptet folgerichtig, dass der Terrorismus schon lange keiner Zentralfiguren mehr bedarf. "Er besteht aus höchst unterschiedlichen Lokalgewächsen. Aber immer mal wieder kommen ein paar auf die Idee, auch global handeln zu müssen. Aber auch sie sind ein Polizeiproblem und keines für die Militärs. Osama bin Laden hatte mit all dem schon seit Jahren nichts mehr zu tun. Er war schon lange nur noch ein Symbol. Ein Symbol von und für immer weniger. Seine Zeit war vorbei, und jetzt ist sie es endgültig. Glücklicherweise."
An die Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis gegraben haben, erinnert die Märkische Allgemeine und spricht von 9/11. "Dieser Terrorakt war maßlos und unmenschlich – wie diejenigen, die ihm folgten. Terror ist keine Frage der Zahlen. Nun hat eine US-Spezialeinheit den Hauptverantwortlichen getötet. Wer so etwas wie Mitleid mit ihm empfinden sollte, sollte bedenken, dass ihm widerfahren ist, was er Tausenden angetan hatte und ohne Bedenken Tausenden noch angetan hätte, hätte sich ihm die Gelegenheit dazu geboten. Osama bin Laden ist kein Opfer. Im Gegensatz zu den unschuldigen Männern, Frauen und Kindern auf seiner monströsen Strecke des Hasses."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung richtet den Fokus auf die Versäumnisse der pakistanischen Regierung und rückt ins rechte Licht, weshalb die USA die Regierung in Islamabad im Dunkeln stehen ließ. "Usama Bin Ladin fand sein Ende in Pakistan, in der Stadt Abbottabad, die im Nordwesten der Hauptstadt Islamabad liegt. Er und einige Gefolgsleute lebten in einer großzügig angelegten Villa hinter hohen Mauern und Stacheldraht, nur wenige hundert Meter entfernt von der pakistanischen Militärakademie. Und die Behörden sollen wirklich nichts gewusst haben von der Anwesenheit des Anführers von Al Qaida auf pakistanischem Territorium? Das zu glauben fällt in der Tat schwer; (.). Es ist dieser Verdacht der Komplizenschaft, der die Regierung Obama dazu veranlasste, die pakistanische Führung im Dunkeln zu lassen. Für die wiederum ist die Kommandooperation an Peinlichkeit nicht zu übertreffen. Daran ändert auch die späte 'Begeisterung' für den Erfolg nichts."
Das Neue Deutschland streut Salz in die Wunde des Tages, den US-Präsident Obama als einen "guten Tag für Amerika" bezeichnete: "So groß die Genugtuung zumal bei Angehörigen von Terroropfern jetzt sein mag, letztlich hat sich Präsident Obama mit seinem Tötungsbefehl auf die Stufe jener begeben, denen ein Menschenleben nichts wert ist. Doch gut möglich, dass ein für immer stummer Bin Laden einfach die beste Lösung für die USA ist und ihr unangenehme Wahrheiten erspart. Zu denen gehört auch, dass der 'Krieg gegen den Terror' längst ein Vielfaches aller Terrorismusopfer an Menschenleben gekostet hat. Bin Ladens Festnahme sollte einst die Afghanistan-Invasion legitimieren. An den Ursachen des Terrors wird seine Liquidierung eine Dekade später nichts ändern."
Und zum Schluss das Handelsblatt, das sich ebenfalls mit dem Lorbeerkranz Obamas beschäftigt: "Obama ist jetzt vor allem eines: der Präsident, der Osama Bin Laden zur Strecke gebracht hat. Kritik an Obamas Außen- und Sicherheitsstrategie ist damit vom Tisch - und womöglich für lange Zeit. Tatsächlich könnte das Ende des El-Kaida-Chefs Obama die Wiederwahl im November nächsten Jahres sichern. Nicht nur, weil der Tod Bin Ladens auf das amerikanische Volk wie eine Erlösung wirkt. Mehr noch, weil die Tötung des Top-Terroristen nicht das Produkt einer zufälligen Kommandoaktion war, sondern eine über Monate vorbereitete Maßnahme. Das beinhaltet die Botschaft: Auch wenn sich die USA schrittweise von den Kriegsschauplätzen im Mittleren Osten zurückziehen, verliert das Weiße Haus nicht die Prioritäten aus dem Blick."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Richter