Wen Jiabao in Berlin "China handelt nicht uneigennützig"
28.06.2011, 20:12 UhrWen Jiabao präsentiert sich in Berlin als der noble Retter des Euro. Das sehen die von wirtschaftlichen Krisen geplagten Europäer natürlich gerne. Deutschland profitiert von den Milliardenverkäufen. Doch je stärker die wirtschaftliche Abhängigkeit wird, desto leiser werden kritische Töne am totalitären Regime in Peking. Jiabao muss dann keine Zugeständnisse mehr machen.
"Wie ein Märchenprinz in rotem Gewand kommt Chinas Premier Wen Jiabao daher", schreibt die Volksstimme. Er bekräftige nicht nur die "wichtige strategische Partnerschaft" zwischen Peking und Berlin. Auch als "nobler Retter des Euro" präsentiere sich der Mann, indem er "Staatsanleihen von Ungarn, Griechenland, Spanien und Portugal aufkauft". Uneigennützigkeit sieht das Blatt aus Magdeburg jedoch nicht darin. Es erinnert vielmehr daran, dass China immerhin "ein Viertel seiner Devisenreserven in Euro angelegt" habe. "Auch die Partnerschaft, die mit diversen Abkommen bekräftigt wurde, hat für das Reich der Mitte große Vorteile. Schließlich lohnt es sich, von deutschen Fachkräften zu lernen und vom technischen Knowhow etwas abzukupfern. Die Chinesen haben zwar Spezialisten in ihren eigenen Reihen. Der kreative, innovative Geist fehlt jedoch. Und dieser ist in der Möchtegern-Demokratie der Kommunistischen Partei auch nicht erwünscht."
Ganz ähnlich sieht es die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bei aller Freude der von Schulden geplagten Europäer, dass es noch jemanden gibt, der bereit ist, sein Geld in den alten Kontinent zu investieren, sollten sie sich doch darüber im Klaren sein, dass China nicht uneigennützig handelt." Es gehe nicht nur "um den Erwerb westlicher Spitzentechnologie, sondern auch um die Mehrung von politischem Einfluss". Dabei werde das Thema Menschenrechte kaum angesprochen. Viel wichtiger, so das Blatt, sei das lautstarke Lied von den "wirtschaftlichen Chancen auf dem riesigen chinesischen Markt". Die Folge: "Je stärker die Abhängigkeit wird, je sicherer sich Peking seiner Sache sein kann, desto leiser werden kritische Töne werden."
Auch die Süddeutsche Zeitung meint, dass sich Peking immer mehr auf der sicheren Seite wähnt und so keine Zugeständnisse machen muss. Denn "jeder möchte möglichst viele Flugzeuge, Autos, Eisenbahnen oder Kraftwerke verkaufen; jeder zielt auf den Riesenmarkt... In Berlin habe Wen Jiabao "dies durch den kühlen Hinweis deutlich gemacht, ein starker Euro liege auch in Chinas Interesse, so dass sein Land 'eine helfende Hand' ausstrecken werde."
Dass die "Scheckbuch-Mandarine (…) mit Glamour und Pomp empfangen" werden, sei den Europäern nicht zu verübeln, meinen die Westfälischen Nachrichten. Die drohende Staatspleite Griechenlands und die Eurokrise erklären dies. "China sucht einen starken Partner in Europa an seiner Seite. Das ist Deutschland. Aber Vorsicht! Hinter dem freundlichen Herrn Wen Jiabao verbirgt sich immer noch ein totalitäres Regime. Wer die Menschenrechte mit Füßen tritt, verdient zuallererst Misstrauen und nicht Vertrauen."
Die Stuttgarter Zeitung warnt ebenfalls und vergleicht die heutige Situation mit der in den Zeiten des Kalten Krieges. Da habe "das Wort vom 'Wandel durch Handel' als Metapher voller Hoffnung" gegolten. "Enge Wirtschaftskontakte sollten helfen, die kommunistischen Regime im Osten Europas zu demokratisieren - am Ende sogar zum Einsturz zu bringen. Die Hoffnung erfüllte sich." Aber das Reich der Mitte sei von einem ganz anderen Kaliber. "Hier organisieren die Kommunisten selbst ein kapitales ökonomisches Wunder. Die Deutschen buhlen um die Gunst der Diktatoren in Peking, so wie die anderen westlichen Nationen auch. Der Handel blüht - aber von demokratischem Wandel ist bisher wenig zu sehen."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger