Pressestimmen

Zu Schlarmanns Kritik an Merkel "Da hat sich etwas aufgestaut"

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In der CDU rumort es: Der Mittelstandspolitiker Josef Schlarmann attackiert Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf. Im "System Merkel" sei es für potenzielle Nachfolger unmöglich, nach oben zukommen. Er beklagt auch die in der CDU herrschende Diskussionskultur. In Kommentaren werden beide Politiker kritisch beleuchtet. 

Nicht immer einer Meinung: Angela Merkel und Josef Schlarmann.

Nicht immer einer Meinung: Angela Merkel und Josef Schlarmann.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach Ansicht der in Lüneburg erscheinenden Landeszeitung lässt Schlarmann lediglich Dampf ab, mehr nicht: "Seine Abrechnung mit dem System Merkel hätte er sich aber sparen können, denn die Union ist schon seit den Rücktritten Kochs, zu Guttenbergs sowie Wulffs Aufstieg und Fall zur reinen Ein-Frau-Show mutiert. Allerdings hat Merkel das System Kohls verfeinert. Die Mehrheit der Wähler sieht sie nicht als reine Machtpolitikerin, sondern eher als Physikerin, die kühl und überlegt handelt. Sie sehen in ihr auch eine Frau, die Populismus nicht nötig hat, die viel arbeitet und auch aufgrund ihrer Vita fast unbestechlich erscheint. Allein letzteres reicht heute schon aus, um zu den beliebtesten Politikern aufzusteigen. Das mag erfreulich sein für Frau Merkel, ist aber zugleich ein Armutszeugnis für den Rest der Politiker-Schar."

Auch die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt (Oder) thematisiert die Kritik Schlarmanns an die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende: "Man merkt: Da hat sich etwas aufgestaut, was raus muss. Aber wie fast immer, wenn so etwas passiert, ist ein realer Kern der Klage zwar nicht zu leugnen, der Furor indes ohne rechtes Maß und Ziel, und vor allem ohne Antwort auf die Frage: Wie soll's denn morgen weitergehen - ganz anders und dennoch ohne Verlust der Macht? (...) Das größte Grummeln freilich ruft derzeit die Euro-Krise hervor und was daraus für Deutschland folgen könnte. Hier wünschten sich nicht wenige in der Union eine klarere, härtere Führung - und letztlich die Versicherung, dass alles wieder gut werde. Wo alle auf Sicht fahren, ist das aber kaum zu leisten. Das ist, zugegeben, schwer erträglich. Wenn die Union aber deshalb auf ihre Kanzlerin los geht, demontiert sie sich selbst."

Nach Ansicht der Leipziger Volkszeitung ist Angela Merkel keine wirklich große Politikerin und Vorsitzende: "Denn sonst hätte sie dafür gesorgt, dass in der Union nicht jede erst zu nehmende Kritik als Majestätsbeleidigung abgewürgt wird, dass nicht alles als alternativlos geschildert wird, was im Kanzleramt erdacht und von Merkels Getreuen exekutiert wird. Macht zu besitzen ist schön. Man kann aber auch in Amt und Würden inhaltlich und personell austrocknen. Ganz unversehens landet man dann nach einem Wahlknaller nicht nur in der Opposition, sondern auch in mehr oder weniger lang andauernder Depression. SPD und FDP erleben dies immer mal wieder. Und die CDU hat nach dem langwierigen Ableben des Systems Kohl erfahren, wie tief man fallen kann. Bald geht es vielleicht wieder los."

Die Braunschweiger Zeitung meint: "Was Schlarmann moniert, trifft den Kern. Merz, Koch, zu Guttenberg, Wulff, Röttgen - vermeintliche Kronprinzen haben sich mehr oder weniger freiwillig verabschiedet. Doch für die Union wird es erst dann schwer, sollte sie die Bundestagswahl im nächsten Jahr verlieren. Dann wird es Jahre brauchen, Nachfolger aufzubauen. Merkels System hat übrigens ein Vorbild. Auch Kohl perfektionierte es, beliebte Freigeister aufs Abstellgleis zu stellen. Auch die Kohl-Zeit war am Ende eine 'One-Man-Show'. Und auch seiner Amtszeit folgten für die Union viele Jahre in der Opposition."

Die in Münster erscheinenden Westfälischen Nachrichten sehen die CDU in einer Identitätskrise: "Sie gärt seit Jahren, meist macht sie sich fest an inhaltlichen Punkten. Die Union hat ihre Positionen bisweilen auch verändert. Familienpolitik, Ausländerpolitik, Bildungspolitik - und nicht zuletzt die Energie- und Umweltpolitik. Die zurückliegenden zehn Jahre waren turbulent. Da wird beklagt, es mangele der Partei an christlichem oder konservativem Profil. Doch wenn es konkret wird, dann scheiden sich ganz gehörig die Geister. Es gibt eben keine geschlossenen Weltbilder mehr. Daran leidet die C-Partei."

"Wer ist Josef Schlarmann?", fragt die Emder Zeitung: "Und was macht eigentlich die CDU-Mittelstandsvereinigung? Das werden sich viele fragen, die die Philippika ihres Vorsitzenden zur Kenntnis genommen haben. Und genau darin liegt das Problem aller parteiinternen Merkel-Kritiker: Ihnen fehlt ein wirklich prominenter Kopf. Kein führender Unionspolitiker würde derart starken Tobak gegen die Kanzlerin ablassen. Dabei ist an seinen Thesen durchaus etwas dran. Wen es in der CDU ganz nach oben drängt, der behält das lieber für sich. Wer sich das 'System Merkel' genau anschaut, erkennt dahinter ein altes Vorbild. Damals nannte man es 'System Kohl'."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Wolfram Neidhard

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