"Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" Der Beitragszahler bleibt der Dumme
29.08.2012, 21:58 UhrDie Bundesregierung hat die Senkung des monatlichen Rentenbeitrages zum 1. Januar beschlossen - von derzeit 19,6 Prozent auf voraussichtlich 19,0 Prozent. Die exakte Zahl soll im November in den Gesetzentwurf eingefügt werden, wenn weitere Berechnungen über die Kassenlage der Rentenversicherung vorliegen. Der Durchschnittsverdiener kann sich auf neun Euro Entlastung freuen. Die Presse reagiert darauf uneinheitlich.
Für die Heilbronner Stimme ist die Gesetzeslage eindeutig: "Wenn der Füllstand der Rentenkasse einen bestimmten Pegel erreicht, muss der Beitragssatz sinken. Die Frage ist nur, ob das vernünftig ist. Die Rentenversicherung erklärt, dass die Nachhaltigkeitsrücklage, im Moment ein dickes Polster, schon in wenigen Jahren wieder auf das gesetzliche Mindestmaß von 0,2 Monatsausgaben abschmilzt. Dann droht, nach der Absenkung ab 2013, gleich ein Beitragssprung um einen ganzen Prozentpunkt. SPD und Grüne dringen deshalb ebenso wie die Unionsskeptiker und Wohlfahrtsverbände darauf, lieber für schlechte Zeiten vorzusorgen und auf die Absenkung zu verzichten."
An den Spruch "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" erinnert die Nürnberger Zeitung und verweist darauf, dass dies der Erfahrung widerspricht. "Überschüsse in Sozialkassen haben bisher noch immer zur raschen Ausweitung von Sozialleistungen geführt. Und die sind kaum wieder zurückzufahren, wenn tatsächlich schlechtere Zeiten kommen. Mit anderen Worten: Wer jetzt auf Beitragssenkungen verzichtet, beugt damit keineswegs künftigen Beitragssteigerungen vor. Stattdessen erzeugt er beim Bürger das lähmende Gefühl, dass er in guten Zeiten ebenso der Dumme ist wie in schlechten."
Eine einfache Rechnung macht die Mitteldeutsche Zeitung auf: "Die Senkung fällt mit mehr als fünf Milliarden Euro ansehnlich aus. Bricht man den Betrag indes auf einzelne Beschäftigte herunter, bleibt im Schnitt eine Entlastung von weniger als acht Euro im Monat. Ob das die Binnenkonjunktur ankurbeln wird? Wohl kaum. Analog verhält es sich auf Arbeitgeberseite. Kein Unternehmen wird wegen ein paar Euro Kostenersparnis mehr Leute einstellen. Niedrigere Rentenbeiträge haben nur eine symbolische Bedeutung - und hängen mehr mit den Wünschen der Arbeitgeber, der FDP und der nächsten Bundestagswahl, als mit kluger Politik zusammen. Denn es könnte durchaus sein, dass alsbald auch Deutschlands Wirtschaft in eine Krise gerät. Die eben gesenkten Beiträge müssten dann ausgerechnet im Abschwung wieder steigen."

Die Badische Zeitung begrüßt die Beitragssenkung und schätzt, dass große Reserven ansonsten zweckentfremdet würden. Sie schreibt: Die schwarz-gelbe Koalition hat am Mittwoch beschlossen, 2013 den Beitrag zur Rentenkasse zu senken. Das wäre falsch, wenn damit die Rücklage der Rentenversicherung geplündert würde. Das wird sie aber nicht. Auch nach der Senkung bleibt sie bei anderthalb Monatsausgaben, was 25 Milliarden Euro entspricht. Das reicht als Vorsorge aus - als Vorsorge für den keineswegs unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Konjunktur 2013 abkühlt. Auf die Senkung zu verzichten und die Rücklage massiv zu erhöhen - das wünschen sich die SPD, einige CDU-Landespolitiker und jüngere Politiker der Union - ist jedenfalls verkehrt. Denn je größer die Reserve ist, umso mehr wächst die Gefahr, dass sie zweckentfremdet wird."
Der General-Anzeiger zweifelt an dem Beschluss und geht davon aus, dass "vor allem jüngere Abgeordnete bezweifeln, dass die gut gemeinte Botschaft für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber auf lange Sicht hilft. Denn: Die Zahl der Beitragszahler wird im Verhältnis zur wachsenden Zahl der Rentner schrumpfen. Eine Demografieumlage oder ein vergleichbares Instrument für die Kosten und Risiken einer älter werdenden Gesellschaft wird ohnehin kommen. Früher oder später. Das Geld, das jetzt als Entlastung weiter gegeben wird, wird sich der Staat Jahre später wieder holen. Ein Nullsummenspiel wäre da noch die günstigste Rechnung."
"Neun Euro Beitragsentlastung für den Durchschnittsverdiener scheinen zwar auf den ersten Blick wie eine Bagatelle", schreibt das Flensburger Tageblatt. "Mit der durch die Länderkammer blockierten Steuerentlastung summieren sich aber Beträge, die der Staat seinen Bürgern vorenthält. Gerade in Wahlzeiten regen volle Kassen die Ausgabenfantasie von Politikern an, in deren Händen Beitragsreserven keineswegs immer zukunftsfest angelegt sind. Angesichts der schleichenden Steuer- und Beitragserhöhungen bei jeder Lohnsteigerung ist es höchste Zeit, die arbeitende Bevölkerung zu entlasten."
Ins selbe Horn stößt die Saarbrücker Zeitung. "Dass die jetzt fällige Anpassung ausgerechnet ins kommende Jahr der Bundestagswahl fällt, legt den Verdacht nahe, dass zumindest die Opposition schon an Wahlkampf denkt: Eine verhinderte Beitragssenkung wäre zweifellos ein Gesichtsverlust für die amtierende Regierung. Doch auch CDU-Politiker reden einer Beibehaltung der geltenden Beitragshöhe das Wort, weil sie sich davon mehr Nachhaltigkeit für die Rentenkasse versprechen. Ein ehrenwerter Ansatz. Dass mit den Überschüssen auch die Begehrlichkeit steigen, wird dabei gern übersehen."
Zum Schluss ein Blick in den Donaukurier: "Davon wird die Geldbörse der Bürger zwar nicht wirklich dicker, aber es ist auf jeden Fall mal eine der eher seltenen guten Nachrichten. Trotzdem ist es natürlich Unfug zu behaupten, die schwarz-gelbe Regierung verteile großzügig Wahlgeschenke, wenn sie sich einfach an die Rechtslage hält. Widersinnig sind auch die Forderungen der Opposition und der Gewerkschaften, die Rentenkasse solle doch ihren Schatz behalten. Denn das Kapital der gesetzlichen Sozialversicherung ist das Vertrauen der Bürger in ihre Zuverlässigkeit und Beständigkeit. Wenn die Politik - was sie in der Vergangenheit viel zu oft getan hat - ständig an den Regeln für die Rentenkasse herumschraubt, untergräbt sie genau dieses Vertrauen."
Zusammengestellt von Peter Richter
Quelle: ntv.de