Pressestimmen

Unsere Bundesregierung "Die müssten getrennt werden"

"Koalition der Unwilligen": Westerwelle, Merkel und Seehofer (v.l.n.r.).

"Koalition der Unwilligen": Westerwelle, Merkel und Seehofer (v.l.n.r.).

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Regierung hat sich getroffen, um sich auszusprechen. Das wievielte mal eigentlich? Wieder war es "konstruktiv, sachlich und ruhig". Dennoch, das Hauen und Stechen geht weiter. Die Regierung hätte sich in ihren anfänglichen Verhandlungen lieber auf Inhalte als auf die Angebote des Dus kontrierenen sollen, meint die Presse.

"Immer drängender" würden die "ungelösten Probleme" werden, schreibt die Hessische/Niedersächsische Allgemeine: "Haushaltskonsolidierung, explodierende Kosten im Gesundheitswesen, klare Linie in der Energieversorgung". Die Koalition habe aber "weder einen Plan, noch Konzepte oder gar eine übergreifende Leitlinie für seine Politik". Viel eher gehe es um "Befindlichkeiten, Außendarstellung und Taktik". Und das sieht für das Blatt aus Kassel so aus: "Merkel lässt auflaufen, Westerwelle gibt den Rächer der Mittelschicht und der angezählte Horst Seehofer schießt aus Bayern quer." Die Beteuerungen der Koalitionspartner, nun zügiger und konkreter arbeiten zu wollen, sei mehr als überfällig. Das Blatt zweifelt: "Doch wer will daran glauben? Der Mai könnte für alle Beteiligten alles andere als ein Wonnemonat werden. Wenn das bürgerliche Lager die zentrale Wahl in Nordrhein-Westfalen verliert, was nicht unwahrscheinlich ist, brennt in Berlin die Luft. Dann könnte sich diese Koalition der Unwilligen endgültig in Zank und Schande zerrütten."

Für die Rhein-Zeitung ist die "Ursache für dieses offene Hauen und Stechen" klar: "Jetzt rächt sich, dass nach der Bundestagswahl ein Koalitionsvertrag mit heißer Nadel gestrickt wurde, der sämtliche Streitpunkte der Partner ausgeklammert oder zumindest unter Finanzierungsvorbehalt gestellt hat. Die schnelle Präsentation der neuen Regierung war wichtiger als die inhaltliche Auseinandersetzung damit, welche politischen Weichen man für die nächsten vier Jahre stellen will. Diese ungeklärten Fragen gepaart mit den beiden kleinen Parteichefs Westerwelle und Seehofer, die nur allzu gerne die große Populistenkeule schwingen (lassen), sind eine hochexplosive Mischung, die die Koalition bereits in diesem frühen Stadium auf eine harte Probe stellt."

Laut der Süddeutschen Zeitung sei es der schwarz-gelben Koalition gelungen, ein neues Gefühl auszulösen. "Nach bald vier Monaten fängt man an, vor ihr den Respekt zu verlieren." Warum? Das sei ebenso einfach wie ärgerlich: "Sie benimmt sich nicht wie eine Regierung, sondern zankt sich, wie Kinder es tun, die im Sand um die schönsten Förmchen streiten. Sie nimmt die Verantwortung, die sie in der schweren Wirtschaftskrise hat, nicht ernst. Und sie hat es, das ist das Schlimmste, bis jetzt nicht geschafft, sich durch Reden und Handeln eine gemeinsame Identität zu geben." Es ist nicht das Gefühl, die gehören zusammen, das vorherrsche. Vielmehr: "Es dominiert der Eindruck: Die müssten getrennt werden."

"Da plustert sich einer auf, ergeht sich in Wortradikalismus und hat für die praktische Lösung der Probleme doch herzlich wenig zu bieten." Die Märkische Oderzeitung spricht von Guido Westerwelle, "der so gerne demonstriert, wie gut sein persönliches Verhältnis zu Duz-Freundin Angela sei". Aber eigentlich müssten nach Merkels klarem "Basta!" die Ohren klingeln. "Es ist der Fehler der Union gewesen, die Rollenverteilung nicht schon bei den Koalitionsverhandlungen geklärt zu haben."

Mittlerweile gehe es nicht mehr um einen Streit bezüglich der Steuerentlastung oder der Kopfpauschale, meint das Handelsblatt. "Die Liberalen haben sich durch die Vorgänge der letzten Wochen in eine Koalitionsparanoia gesteigert: Sie denken nicht mehr, dass die Union vom einen oder anderen Punkt des gemeinsam Vereinbarten abweicht, sondern dass sie den Koalitionsvertrag insgesamt in die Tonne haut. CDU und CSU haben nach Lesart der Liberalen den erst vor knapp vier Monaten geschlossenen Vertrag gebrochen, schlimmer: Sie hatten nie die Absicht, sich daran zu halten. Damit sind die Partner schon jetzt an einem Punkt, an den die Große Koalition nicht einmal nach vier Jahren gelangt ist: Sie haben keine gemeinsame Basis mehr."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger

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