Sinkende Arbeitslosenzahlen "Ein paar neue Rechentricks"
30.09.2009, 21:05 UhrDie deutschen Zeitungen kommentieren die positiven Zahlen vom Arbeitsmarkt skeptisch. Vor allem die Kurzarbeit schöne die Statistik, meinen die Kommentatoren. "Gleichwohl ist erfreulich, dass der allgemein erwartete Herbst-Anstieg der Arbeitslosenzahl bislang ausbleibt." Zugleich fordert die Presse von der neuen Regierung neue Wachstumsimpulse und warnt vor einer Lockerung des Kündigungsschutzes.
"Schau an! Kaum hat Schwarz-Gelb die Bundestagswahl gewonnen, schon sinkt die Arbeitslosenzahl", schreibt der "Mannheimer Morgen". "Nein, ernsthaft ist der unerwartete September-Rückgang eher der bisherigen Regierung zuzuschreiben: Ein paar neue Rechentricks, vor allem aber die massive Ausweitung der Kurzarbeit verschönen die Statistik." Gleichwohl sei es erfreulich, dass der allgemein erwartete Herbst-Anstieg der Arbeitslosenzahl bislang ausbleibe. "Manche der Experten, die von der Finanzkrise überrascht wurden, schätzen offensichtlich auch deren Dimensionen völlig falsch ein."
Die "Berliner Zeitung" sieht in den Zahlen ebenfalls wenig Grund zur Freude. "Das ist in erster Linie der Kurzarbeiter-Regelung zu verdanken", meint das Blatt. Durch Kurzarbeit seien umgerechnet fast eine halbe Million Stellen erhalten worden. "Viele Unternehmer haben umsichtig und nicht mit sofortigem Stellenabbau reagiert in der Hoffnung, glimpflich durch das Tal zu kommen. Sonnen kann sich Gelb-Schwarz wie auch die Vorgänger-Koalition allerdings nicht in diesem Erfolg. Immer wieder mal ist die Nürnberger Statistik von Problemgruppen bereinigt worden. Teilnehmer in diversen Programmen gelten nicht als Arbeitslose. Auch das hilft jetzt, nicht über eine Vier oder Fünf vor der Millionenzahl der Arbeitslosen sprechen zu müssen."
Die "Nürnberger Nachrichten" nimmt die Arbeitsmarktstatistik zum Anlass, um die neue Bundesregierung vor Einschnitten bei den Arbeitnehmerrechten zu warnen. "Dass eine Lockerung des Kündigungsschutzes wirklich mehr Beschäftigung bringt, bezweifeln viele. Der letzte Aufschwung, der nun in der Krise Stück für Stück wegschmilzt, kam jedenfalls ohne solche Einschnitte zustande", schreibt die Zeitung. Er beruhe auch auf den rot-grünen Arbeitsmarkt-Reformen, von denen erst Schwarz-Rot und nun auch Schwarz-Gelb weiter profitieren wird: "Der Arbeitsmarkt ist flexibler geworden; Stellen werden rascher besetzt; Firmen halten ihre Belegschaften länger. Es gibt eine Art unausgesprochenes Bündnis für Arbeit, das Entlassungen so lange wie möglich vermeidet und so nicht nur Beschäftigung, sondern vor allem auch den sozialen Frieden im Land sichert. Mit einer Radikalkur lässt sich da nichts erreichen außer einem Aufstand der Linken samt der Gewerkschaften."
Auch die "Mittelbayerische Zeitung" aus Regensburg nimmt die Arbeitsmarktzahlen zum Anlass, um Forderungen an die schwarz-gelbe Bundesregierung zu stellen. "Der Staat sollte selbstbewusster die Richtung vorgeben, wo er hin will. Er kann Anreize setzen, um Deutschlands starke Stellung bei regenerativen Energien auszubauen, die Gesundheitspflege auf kräftige Füße zu stellen, das Bildungswesen endlich auf Vordermann zu bringen. Das sind im Gegensatz zu Konsumausgaben Investitionen in die Zukunft, die auch über Schulden finanziert keine Bürde für künftige Generationen sind, sondern ihnen zugute kommen. Damit würden Voraussetzungen für anhaltendes und vor allem hochqualitatives Wirtschaftswachstum geschaffen. Einen solchen Plan würden wir von der neuen Bundesregierung gerne vorgelegt bekommen. Sie müsste nicht mal ihre eigene Fantasie besonders bemühen. Denn dieses Konzept gibt es bereits, grob zumindest. Vorgelegt hat es Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat mit dem Ziel, bis 2020 Vollbeschäftigung zu erreichen."
Quelle: ntv.de, tis