Willensbekundungen auf dem EU-Gipfel Europa "nicht zum Nulltarif zu haben"
31.01.2012, 22:23 UhrEuropa ringt weiter um seine Währung. Die Staats- und Regierungschefs beschließen einen Fiskalpakt und den permanenten Rettungsschirm. Aber es ringt auch um sich selbst. Hoffnung statt Depression gilt es zu verbreiten, dies wäre die wahre Meisterleistung. Deutschland muss dabei überzeugen.
Die Süddeutsche Zeitung verweist auf die Leistung und die Bedeutung der Europäischen Union: "In Wahrheit beweist die schwerste Krise seit Beginn des Einigungswerks, wie lebenswichtig diese Einigung ist. Sie zeigt, dass gemeinsame Währung, freier Warenverkehr, offene Grenzen und ja, die Völkerfreundschaft nicht zum Nulltarif zu haben sind. Es handelt sich um historisch einmalige Errungenschaften eines Kontinents, dessen Völker bis vor zwei Generationen ihre Streitfragen über Kriege austrugen. Heute gibt es gemeinsame Institutionen, deren Probe nun bevorsteht." Deutschland spielt eine besondere Rolle. Seine "neue Macht ist, sinnvoll eingesetzt, die Macht der Beharrlichkeit, den Weg der Einigung und des soliden Wirtschaftens weiterzugehen. Es muss überzeugen statt diktieren, es ist auf Europa genauso angewiesen wie die Griechen."
Der Stimmung bei den Westfälischen Nachrichten ist weniger positiv: "Die Euro-Länder kommen nicht zur Ruhe. Die Sparorgien wirken wie der mittelalterliche Aderlass. Sie versprechen Linderung, tragen aber nicht zur Heilung bei. Natürlich muss Griechenland sparen. Das klappt jedoch nur, wenn die Rezeptur stimmt." Wie die aussehen könnte, weiß das Blatt aus Münster auch: "Die Eurozone braucht gezielte Investitionsprogramme, Arbeitsplätze für die Menschen - statt halbgarer Wachstumsinitiativen, wie sie im Fiskalpakt fixiert sind. Es wird hohe Zeit, dass Europa wieder ein Inbegriff der Hoffnung wird, statt Depression zu verbreiten. Das wäre die wahre Meisterleistung."
"Führen heißt, andere zum Erfolg zu bringen, und zwar so, dass jeder das Gefühl hat, er habe selbst entschieden". Mit dieser Unternehmerweisheit umschreibt die Badische Zeitung die derzeitig Rolle Deutschlands in Europa. "Sie verlangt nicht nur Diplomatie und Zurückhaltung, sondern auch die Fähigkeit, andere Ideen und Meinungen vorbehaltlos zu prüfen und so die eigene Position weiterzuentwickeln. Denn Europas Stärke liegt in seiner Vielfalt, nicht in der Dominanz eines Landes, schon gar nicht Deutschlands."
"Beim Gipfel musste Angela Merkel bei einigen Forderungen zurückstecken - vorerst. Auf Dauer führt kein Weg an strikter Haushaltsdisziplin, harten Kontrollmechanismen und strengen Sanktionen vorbei", glaubt die Sächsische Zeitung und hält den eingeschlagenen Weg für richtig: "Die Geschichte der EU zeigt: Auch wenn quälend lange über Änderungen debattiert wird, setzen sich am Ende selbst in der EU vernünftige Lösungen durch."
"Ob die Gipfelbeschlüsse von Brüssel eine 'wirkliche Meisterleistung' sind, wie Merkel meint, muss sich aber erst noch erweisen", kommentiert der Ingolstädter Donaukurier und bleibt skeptisch: "Denn an der aktuellen Schuldenkrise und den dahinter steckenden Problemen ändert sich mit den Willensbekundungen der EU-Staaten noch gar nichts. Sie sind nichts anderes als ein Wechsel auf eine unsichere Zukunft. Insofern liegt der Nutzen der Beschlüsse zunächst mehr im Atmosphärischen: Die Finanzmarkt-Akteure sollen beruhigt und zu Investitionen in Europa animiert werden. Die Frage ist nur, ob das funktioniert. Denn der Fiskalpakt tritt bestenfalls erst in einem Jahr in Kraft."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nadin Härtwig