Pressestimmen

Linke im Visier der Verfassungsschützer "Führen sich auf wie Staat im Staate"

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Sehen so Verfassungsfeinde aus?

Sehen so Verfassungsfeinde aus?

(Foto: dpa)

Die Linkspartei befindet sich im Visier des Bundesverfassungsschutzes. 27 Abgeordnete werden beobachtet - zum Unmut der betroffenen Politiker. Aber auch viele Kollegen anderer Parteien schlagen sich auf die Seite der Linken. Innenminister Hans-Peter Friedrich rechtfertigt das Vorgehen, will jetzt aber die Liste der Beobachteten überprüfen. Die Kommentatoren der deutschen Zeitungen sparen nicht mit Kritik an der Praxis der Verfassungsschützer. Es gibt jedoch auch verständnisvolle Stimmen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung etwa führt aus: "Sitzt ein Rechtsextremist im sächsischen Landtag, dürfte niemand etwas gegen dessen Beobachtung haben; vielmehr dürfte dann auch die Linkspartei eine nachrichtendienstliche Observierung für dringend geboten halten. Wird aber ein Abgeordneter des Bundestags observiert, der Mitglied in einem der Gremien zur Kontrolle der Geheimdienste sein darf, hat das weniger mit Verfassungsschutz zu tun als mit Prinzipienreiterei. Daraus aber zu folgern, dass eine ganze Fraktion nicht länger zu behelligen wäre, ist eine unziemliche Unschuldsvermutung. Die Beweislast liegt nicht beim Staat und seinen Behörden, sondern bei der Partei, der die Abgeordneten gehorchen. Die hat dazu Gelegenheit genug - jeden Tag."

Die Rhein-Neckar-Zeitung sieht in der Angelegenheit eine "verkehrte Welt": "Da etabliert sich Gregor Gysi als recht unterhaltsamer Dauertalkgast im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und zugleich wird der Fraktionschef der Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet. Das passt nicht zusammen. Auch dann nicht, wenn sich das Beobachten wirklich nur auf das Lesen von Artikel, Zeitungsinterviews und Reden beschränken sollte (wobei man sich fragt, wieso der Staat dafür hunderttausende Euro ausgibt?)."

Die Berliner taz bemerkt: "Die Linkspartei gehöre verfassungsdienstlich beobachtet, sagt Friedrich. Denn da laufen Leute herum, die Kuba mögen, von einem marxistischen Staat träumen und sich nicht ausreichend von der DDR distanzieren. (...) Nun scheint er - offenbar auf Geheiß von oben - bereit zu sein, sich immerhin über die Freiheit des Abgeordnetenmandats noch einmal einen Gedanken zu machen. Doch garniert er dieses Zugeständnis mit indirekten Drohungen: Es sei ein 'strafrechtlich relevanter Vorgang', wie die aktuellen konkreten Informationen über die Bespitzelung der Linksfraktion an die Öffentlichkeit gelangt seien. Merke: Der Minister nimmt schon Rücksicht auf die öffentliche Empörung, aber die Herstellung von Öffentlichkeit scheint ihm ein Fall für den Staatsanwalt zu sein."

Eine erwartbare wie klare Haltung zu der Affäre hat das Neue Deutschland: "Man wüsste gern die Begründung, denn das Grundgesetz schützt weder die Regierungstätigkeit der etablierten Parteien aus der Alt-BRD noch den Kapitalismus. Die bisherigen Enthüllungen über das Treiben des Verfassungsschutzes, der sich aufführt wie ein Staat im Staate, scheinen erst der Anfang zu sein."

Die Badische Neuesten Nachrichten befinden: "Offenbar führt der Dienst, in Teilen zumindest, noch immer ein befremdliches Eigenleben. Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass er jedes Gefühl für die Verhältnismäßigkeit seiner Mittel verloren hat und gleich 27 Abgeordnete der Linken auf dem Kieker hat - darunter offenbar auch bekennende Realos wie den früheren Geschäftsführer Dietmar Bartsch, der genauso gut Mitglied der SPD sein könnte."

Die Sächsische Zeitung sieht genug Gründe, Ansichten der Linkspartei nicht zu mögen: "Auch wäre es endlich Zeit, dass sich die Realpolitiker von Sektierern, Antisemiten oder Vergangenheitsverdrängern lösen. Dazu braucht es aber keine geheime Zeitungsauswertung. Die Aktion erinnert an die Rote-Socken-Kampagne der Union von 1994. Die nutzte die damalige PDS pfiffig für die eigene Werbung. Das Ergebnis seinerzeit: Die SED-Nachfolger blieben im Bundestag - und Helmut Kohl Kanzler."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Johannes Graf

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