Tödliche Schlägerattacke "Kuscheljustiz muss umdenken"
14.09.2009, 21:05 UhrDie tödliche Attacke zweier Jugendlicher auf einen Münchner S-Bahn-Fahrgast hat auch in der Presse eine neue heftige Debatte ausgelöst: Muss seitens der Politik mehr getan werden oder brauchen wir einfach mehr Zivilcourage?
"Ebenso beunruhigend wie der Mord der Jugendlichen ist die Tatsache, dass sich jetzt wieder zeigt, dass Zivilcourage eine zarte Pflanze ist, die nicht geschützt werden kann", kommentiert die Frankfurter Rundschau das grausame Geschehen. Doch das Gerede der Politik verdecke diese Beunruhigung sofort. Zivilcourage, heißt es weiter, könne sich "nur selbst schützen", dazu aber sei sie "manchmal zu schwach. Eine politische Antwort auf den Mord könnte deswegen nur in einer Verstärkung der Sicherheitskräfte bestehen. Denn auch der öffentliche Raum bedarf des Schutzes".
Auch die Märkische Oderzeitung fordert: "Der Staat muss in neuralgischen Bereichen mehr präsent sein, ob auf Bahnhöfen, Schulgeländen oder in heruntergekommenen Stadtvierteln. Auch im Jugendrecht muss einiges getan werden, auch wenn sich die SPD-Justizministerin Zypries immer noch sperrt". Das Blatt aus Frankfurt/Oder geht noch einen Schritt weiter und fordert: "Bei Exzesstaten wie in München sollten auch 15-jährige statt bisher 10-jährige Höchststrafen für Jugendliche möglich sein. Vor allem kommt es darauf an, das bisherige Instrumentarium im Jugendstrafrecht - bis hin zum Wegsperren - mehr auszuschöpfen. Einer der S-Bahn-Mörder war als Mehrfachtäter bekannt und bekam immer wieder lächerliche Strafen von Jugendrichtern. Hier muss die Kuscheljustiz endlich umdenken".
Die Nürnberger Nachrichten gehen die Diskussion aus einer anderen Ecke an: "Die beiden tatverdächtigen Deutschen haben weder eine Arbeit noch eine Berufsausbildung. Beide sind vorbestraft, kommen aus zerrütteten Familien, stehen am Rand der Gesellschaft. Sie leben in der wachsenden Gruppe der Außenseiter, auch, weil unser System Menschen wie sie nicht auffängt, weil es nicht dazu angelegt ist, dass es Fehlentwicklungen frühzeitig erkennt, reagiert und Jugendliche re-integriert. Selbstverständlich rechtfertigt dies das Verbrechen weder noch entschuldigt es die Täter. Doch wer die Bürger schützen will, der darf nicht nur nach härteren Strafen rufen. Er muss an die gesellschaftlichen Wurzeln herangehen".
"Nützt denn alles nichts? Ist Zivilcourage doch das Falsche?" fragt die Stuttgarter Zeitung. Die eindringliche Antwort folgt auf dem Fuße: "Der Mann, der in Solln gestorben ist, könnte vielleicht noch am Leben sein, wenn ein, zwei Jedermänner außer ihm in dieser Bahn aufgestanden wären. Keine Frage: Täter sind jene, die zugeschlagen haben. Aber wer wegschaut, kann auch schuldig werden. Vielleicht ist es auch diese heimliche Erkenntnis, die jeder bei dieser Geschichte in sich spürt. Da erscheint es einfacher, über rigide Lösungen zu reden."
"Natürlich werden die Täter bestraft. Natürlich wird es wieder Stimmen geben, denen es nicht hart genug sein kann", konstatiert die Hessische/Niedersächsische Allgemeine. "Aber zu hoffen, dass man das Böse mit Extremstrafen aus unserer Gesellschaft vertreiben kann, ist genauso töricht wie der Wunsch, dass ein zivilisiertes Zusammenleben ganz von allein funktionieren möge, ohne Zumutungen und Anstrengungen." Zivilcourage, wie sie Dominik Brunner gezeigt habe, schreibt das Kasseler Blatt weiter, sei nichts anderes als die Verteidigung all dessen, was uns in unserem Zusammenleben wichtig sei: "Respekt, Toleranz, Gewaltfreiheit. Und das fängt schon in kleinsten Dingen an. Wir müssen uns entscheiden wie Dominik Brunner: Hinsehen und Eingreifen."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de