Der lange Atem der RAF "Nichts ist erledigt"
28.08.2009, 20:21 UhrBis heute bewegen die RAF-Morde die Republik. Der Aufarbeitung bedürfen aber vor allem die Reaktionen des Staates auf die Herausforderung RAF. Die Behördern stehen unter Zugzwang: Seit Jahren halten sie die Akten geheim und erschüttern damit das Grundvertrauen der Bürger in den Rechtsstaat.
"Nichts ist erledigt", konstatiert die Frankfurter Rundschau . "Die Morde der RAF und die (Über-)Reaktion des Staates in den siebziger Jahren bewegen die Republik bis heute - mehr als drei Jahrzehnte nach dem deutschen Herbst und 15 Jahre nach der letzten Gewalttat der RAF." Verantwortung dafür trage auch das "zynische Kollektiv der Täter, das in einer völlig verbohrten Bunkermentalität nach wie vor eisern zu den Taten schweigt". Auch wenn schon lange vorbei, habe sich die RAF-Zeit dennoch noch nicht erledigt "- nicht für Otto Schily, nicht für Wolfgang Schäuble, nicht für Jürgen Trittin, nicht für Guido Westerwelle". "Und schon gar nicht für Verena Becker. Sie hat Siegfried Buback und sein Gefolge nicht erschossen. Sie war aber nach neuesten Erkenntnissen direkt an der Tat beteiligt. Becker muss befürchten, 20 Jahre nach ihrer Begnadigung durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker noch einmal ins Gefängnis zu kommen. Die Sache Buback, sie ist längst noch nicht erledigt."
Der Reutlinger Generalanzeiger übt Kritik an den deutschen Behörden, für die speziell das Kapitel Becker innerhalb der RAF-Geschichte "kein Ruhmesblatt" sei. "Deshalb sollte das Innenministerium jetzt dringend die Akten herausgeben", fordert das Blatt. "Sonst bleibt der unschöne Verdacht, der Staat sei nicht interessiert, den Mord aufzuklären an einem Mann, der deshalb ermordet wurde, weil er Repräsentant dieses Staates war."
"Was immer der Staat an Schützenswertem in den seit bald dreißig Jahren unter Verschluss gehaltenen Verfassungsschutzakten verbirgt - es kann nicht so wichtig sein wie das Grundvertrauen der Bürger in den Rechtsstaat, das durch solche Geheimniskrämerei erschüttert wird", prangert auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung an. "Wenn schon die 1985 verurteilten Täter Klar, Folkerts und Mohnhaupt bis heute darüber schweigen, wer den Todesschuss abgegeben hat, so darf sich der Staat nicht auf dieselbe Weise mit ihnen gemein machen. Immerhin hat die Bundesanwaltschaft durch beharrliche Ermittlungsarbeit auch ohne Aktenfreigabe erreicht, dass nach 32 Jahren möglicherweise doch noch Anklage gegen eine Mitverdächtige erhoben werden kann."
Für die Stuttgarter Zeitung ist klar: "Die Justiz hat die Schuld von Verena Becker zu klären." Doch auch ein zeitgeschichtlicher Aspekt werde von öffentlichem Interesse sein: "Es wird noch einmal um die Rolle des RAF-Terrorismus gehen. Es wird diesmal aber vor allem auch darum gehen, wie der Staat und seine Institutionen auf diese Herausforderung reagiert haben. Hier sind noch viele Fragen offen."
Die Ulmer Südwestpresse äußert sich skeptisch hinsichtlich einer restlose nAufklärung des Buback-Mordes: "Selbst wenn Verena Becker der Beteiligung an dem Anschlag überführt werden kann, weil sie im Vorfeld der Tat mitgeplant oder anschließend für die Propaganda gesorgt hat - das Rätsel, wer die Schüsse abgefeuert hat, bleibt ungelöst. Ob der Todesschütze je identifiziert wird, bleibt weiter offen. Die einst verurteilten Beteiligten dürfen schweigen, und über eines der letzten Geheimnisse hält das Innenministerium schützend seine Hand: eine Aussage Verena Beckers gegenüber dem Verfassungsschutz, in der sie angeblich den Tathergang beschrieben hat."
Zwar könnten die Ermittlungsbehörden nun - anders als 1977 - auf DNA-Spuren zurückgreifen, die den Fall zusammen mit Zeugenaussagen in neuem Licht erscheinen lassen, jedoch sei auch ein "Verdacht nicht ganz aus der Welt zu räumen, dass die Ermittlungen seinerzeit nicht entschlossen genug geführt wurden, weil Becker sich dem Verfassungsschutz anvertraute". "Das wäre ein Skandal", meint die Mitteldeutsche Zeitung, hebt jedoch die positive Rolle des Opfer-Sohnes Michael Buback hervor, der hartnäckig auf Widersprüche hinweise und Aufklärung verlange. Das Blatt aus Halle glaubt: "Er ist dicht vor dem Ziel. Ob aus dem immer enger werdenden Netz der für Beckers Beteiligung sprechenden Indizien eine Verurteilung wird, ist offen. Ausgeschlossen ist dies nicht mehr."
Zusammengestellt von Nadin Härtwig
Quelle: ntv.de