Pressestimmen

Manipulationsskandal beim ADAC-Autopreis "Nun schrumpft der Club auf Normalmaß"

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Nach Bekanntwerden der Manipulationen beim "Gelben Engel" kämpft Europas größter Automobilclub um seinen Ruf. Mit dem Rücktritt des geständigen Kommunikationschefs und einer öffentlichen Entschuldigung des Geschäftsführers Obermair versucht der ADAC den Vertrauensentzug zu minimieren. Das wird nicht reichen, urteilt die deutsche Presse.

"Deutschland ist um eine als unantastbar geltende Instanz ärmer", kommentiert die Schwäbische Zeitung. Nach dem Geständnis des ADAC-Pressechefs, bei der Wahl des "Gelben Engels" betrogen zu haben, sei "das Vertrauen in Deutschlands größten Verein erschüttert". Die mächtige Stellung, die der Automobilclub vorher eingenommen habe, sei auf absehbare Zeit verloren: "Es wird lange dauern, bis Politiker und Autobosse wieder vor dem ADAC kuschen. Nun schrumpft der Club auf Normalmaß. Der Skandal reduziert ihn auf die Rolle eines fehlbaren Vereins, dessen Mitglieder vor allem die Pannenhilfe und Unfallrettung schätzen. Diese selbst verschuldete Verzwergung des ADAC passt gut zu einer Gesellschaft, in der das Auto den Rang als Statussymbol verloren hat."

Die Welt zeigt sich von der "kleinlauten Schadensbegrenzung" des ADAC-Geschäftsführers unbeeindruckt: "Geschäftsführer Karl Obermair entschuldigte sich für "den unverzeihlichen Fehler" einer "einzelnen Führungskraft", versprach "lückenlose Aufklärung", schloss weitere personelle Konsequenzen jedoch aus. Reicht das? Wohl kaum. Natürlich muss geklärt werden, wann, wie oft und von wem beim Autopreis 'Gelber Engel' manipuliert wurde. Noch wichtiger: Er wird belegen müssen, dass alle anderen Zahlen und Testurteile der vergangenen Jahre wasserdicht waren, denn sonst sind all die schönen Auto- und Reifentests, die Ranglisten über Tunnel, Raststätten, Kindersitze für die Katz."

Das Badische Tagblatt beleuchtet die Bedeutung des Skandals für den ADAC als politischen Akteur: Ob Auto- oder Tunnel- oder Raststättentests durch den Skandal unglaubwürdiger werden, müsse jeder für sich selbst entscheiden. Wichtiger sei es, so das Blatt, eine Debatte über die öffentliche Rolle des ADAC zu führen. Denn dieser "betreibt seit Jahr und Tag Lobbyismus" und zwar "im Namen von Millionen Mitgliedern". Die "erbärmlich geringe Beteiligung", so die Zeitung abschließend, spreche dafür, "dass das Gros der Mitglieder vor allem auf Pannenhilfe und vielleicht noch auf Infos und Tests aus ist - nicht aber auf plumpen Polit-Lobbyismus."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnet die massive Kritik an dem ADAC als unverhältnismäßig: Es müsse sich eine Menge Wut angestaut haben, "denn der Sturm der Entrüstung über den Vorzeigeverein der deutschen Autofahrer kontrastiert ein wenig gegen deren Anlass, die Manipulation am 'Gelben Engel', einer Auszeichnung durch die offenbar etwas trägen Leser des Vereinsorgans, von der selbst der eine oder andere deutsche Autofahrer bis zum Wochenende nicht wirklich etwas wissen musste." Die Empörung über den Skandal seien deshalb so massiv gewesen, "weil Manipulation, gar Korruption nun auch in weit wichtigeren Erhebungen und Statistiken vermutet werden, mit denen der ADAC die Verkehrspolitik und das Kaufverhalten in diesem Land nicht unerheblich zu beeinflussen weiß". Dies gelte es jedoch, so die FAZ abschließend, erst noch zu beweisen.

Das Handelsblatt bietet einen Lösungsweg aus dem Manipulations-Skandal, der auf betriebswirtschaftlichen Prämissen beruht: "Am wichtigsten Posten des Geschäftsmodells, dem Vertrauen, sind Wertberichtigungen vorzunehmen. Denn gerade auf Basis dieses Vertrauens denken die Strategen des Clubs oft über Innovationen nach, etwa Dienstleistungen für Senioren. Kurzum: Die in Verruf geratene Organisation braucht offene Debatten wie in der Politik sowie ein Controlling-Compliance-Wesen wie in der Wirtschaft. Der ADAC ist jetzt ein Reparaturbetrieb. Er muss von Akteuren lernen, über die er sich erhoben hat. Andernfalls wird er Mitglieder verlieren - und eines Tages über Deutsche klagen, die sich nicht binden wollen."

Der Kölner Stadt-Anzeiger hingegen sieht gerade die Verflechtungen des ADAC mit der Wirtschaft als problematisch an: "Der ADAC hat wirtschaftliche Interessen auf einem Gebiet, auf dem er seine Mitglieder angeblich unabhängig beraten will. Mit Verbraucherschutz hat das nichts zu tun." Gegen Horst Seehofers Behauptung, der ADAC habe mit falschen Zahlen operiert, um die Pkw-Maut für Ausländer zu bekämpfen, müsse man den ADAC allerdings in Schutz nehmen: "Der CSU-Chef und andere aus seiner Partei nutzen den Skandal aus, um sich am ADAC zu rächen. Dass das Lieblingsprojekt der CSU kaum Geld bringt und stattdessen am Ende alle Autofahrer stärker zu belasten droht - für diese Erkenntnis braucht man nichts zu manipulieren."

"Der ADAC ist ein undurchsichtiger Zwitter aus einem Verein und einem Wirtschaftsriesen", kommentiert auch die Stuttgarter Zeitung und fügt hinzu: "Dieser Spagat ist im Blick auf seinen Auftritt als Verbraucherorganisation problematisch." Durch die Manipulationen beim 'Gelben Engel' werde die Kritik an dieser Zweigleisigkeit noch befeuert. Denn nun könne man fragen, "ob sich der ADAC nicht allzu sehr von seiner Mitgliederbasis entfernt hat, ob er den Mund nicht sehr voll nimmt, wenn er in Gesetzgebungsverfahren beansprucht, im Namen der Autofahrer zu sprechen."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg

Quelle: ntv.de

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