Pressestimmen

Missbrauchsskandal "Nur Null Toleranz hilft"

Der Missbrauchsskandal weitet sich immer mehr aus: Fast täglich werden neue Fälle von sexueller Gewalt in katholischen Einrichtungen bekannt. Aufarbeitung alleine reicht jetzt nicht mehr aus. Die Kirche muss sich kritisch hinterfragen und zu grundlegenden Veränderungen bereit sein.

Auch bei den Regensburger Domspatzen gab es sexuelle Übergriffe.

Auch bei den Regensburger Domspatzen gab es sexuelle Übergriffe.

(Foto: dpa)

Der katholische Kirche steht eine Entscheidung bevor, so die Main-Post (Würzburg): "Will sie weitermachen wie bisher: wegschauen, verschweigen und vertuschen. Oder will sie das System, das Sexualstraftäter bislang geschützt hat, ändern und sich mit den Bedingungen beschäftigen, unter denen ihre Priester zu Tätern wurden? Das heißt nicht, dass jeder zölibatär lebende Priester ein potenzieller Kinderschänder ist. Es heißt aber, dass alles unternommen werden muss, um Kinder zu schützen."

Laut der Süddeutschen Zeitung brauch die Kirche jetzt "Mut zur Offenheit", denn "sie muss sagen, von wie vielen Tätern und Opfern sie weiß, muss Konsequenzen ziehen, wenn etwas vertuscht wurde. Sie muss nichtkirchliche Ansprechpartner anbieten, die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften verbessern, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie muss die Binnenkultur hinterfragen, die Abgrenzung zur Welt. Und sich dem Widerspruch zwischen hehrer Sexualmoral und innerkirchlicher Wirklichkeit stellen.

Weitreichende Konsequenzen fordert  auch die Berliner Zeitung und fragt provokant, wie sich die Ereignisse entwickelt hätten, wenn es sich nicht um die Kirche, sondern um Moscheen handeln würde: "Es ist zu befürchten, dass Recherchen in jeder beliebigen katholischen Bildungsstätte weitere Opfer pädophiler Geistlicher zutage fördern. Doch die Kirche beharrt darauf, die Fälle weitgehend selbst aufzuarbeiten und zu entscheiden, welche sie zur Anzeige bringt. So entsteht das Bild einer Parallelgesellschaft, die sich das Recht nimmt, über dem bürgerlichen Gesetz zu stehen. Hätte es systematische sexuelle Missbräuche in Moscheen gegeben, hätten Scharia-Richter sie vertuscht  längst würde das Verbot des Islams, mindestens die Schließung der Moscheen diskutiert. Mit dem Verbot von Jesuiten und Benediktinern ist nicht zu rechnen, doch der Skandal entwickelt eine Dynamik, die sich nicht mehr bremsen lässt. Papst Benedikt XVI. sagt zu Recht, dass nur Null Toleranz hilft. Doch das reicht nicht. Ein Kirchenrecht, das Willkür und Vertuschung fördert, muss geändert werden. Notfalls per Gesetz."

Die Stuttgarter Nachrichten stellen klar, dass der Skandal auch die schweigenden Mitwissen mit einschließt: "Es sind viel zu viele Einzelfälle, um abwiegelnd von individueller Schuld zu sprechen. Viele, die bisher glaubten, sie hätten sich nichts vorzuwerfen, haben kleinmütig oder gleichgültig das schmutzige Klostertreiben über Jahre hinweg erst möglich gemacht. Die herzlosen Mitwisser, die hermetisch geschwiegen und feige weggesehen haben, sind Mittäter. Mögen es wenige sein oder gewesen sein, die geprügelt und gefummelt haben die Sprachlosigkeit der vielen, ihre falsche Solidarität, auch das ist ein Skandal. In Ettal und anderswo. Gestern wie heute."

Die Märkische Allgemeine (Potsdam) erinnert daran, dass es "jährlich etwas 15.000" bekannte Fälle von Kindesmissbrauch in Deutschland gäbe. Es wäre daher "fatal, wenn nun der Eindruck entstünde, (es) sei vor allem ein Problem der katholischen Kirche. Hier wurden in den letzten Wochen knapp 200 Fälle benannt, die meisten davon liegen mehrere Jahrzehnte zurück. Am häufigsten werden Kinder noch immer im familiären Umfeld Opfer von sexueller Gewalt. Das entlastet die Kirche nicht, aber es ist ein Hinweis darauf, dass die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit überall gefordert ist: in Schulen, Sportvereinen und eben leider auch in kirchlichen Kollegien."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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