Quittung für die Bundesregierung "Rüttgers brutal zurückgestutzt"
09.05.2010, 21:50 UhrDie CDU erleidet in Nordrhein-Westfalen mit einem Minus von zehn Prozentpunkten eine herbe Niederlage. Ein Denkzettel aus dem Westen, meint n-tv.de. Die Gründe für die Wahlschlappe nur in der schwarz-gelben Bundespolitik zu suchen, der die Presse ein "verheerendes Zwischenzeugnis" ausstellt, wäre aber zu einfach. Denn letztlich war es die Wahl von Jürgen Rüttgers. Das Ergebnis ist sein Ergebnis - ein "unbarmherziges".
Die Heilbronner Stimme bescheinigt der Berliner Koalition nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen ein verheerendes Zwischenzeugnis. "Schwarz-Gelb wurde beim ersten Stimmungstest seit der Regierungsübernahme postwendend im bevölkerungsreichsten Bundesland abgewählt: Es ist die gerechte Quittung für einen handwerklich und inhaltlich miserablen Start der neuen Bundesregierung." Jedoch sei für das katastrophale CDU-Ergebnis auch die dürftige Bilanz von Jürgen Rüttgers verantwortlich. "Die Städte an Rhein und Ruhr sind zahlungsunfähig und stehen vor der Pleite der Landesvater hat selbst seine Unions-Kämmerer alleine gelassen. Zudem machte sich die Union mit Maulwürfen und Skandalen das Leben selbst schwer und beharrt auf ein Bildungssystem, das nicht mehr mehrheitsfähig ist. Der Amtsbonus des Ministerpräsidenten schmolz in Rekordtempo. Seine Zeit ist abgelaufen. Die Union muss sich zudem fragen, ob sie alles dem Machterhalt der Kanzlerin unterordnet und dabei ihr Profil verliert. Die Zeit der Schönfärberei ist (...) vorüber."
"Bloß keine Entscheidungen treffen, die Wähler zwischen Rhein und Weser verschrecken könnten, hieß die Devise. Das war schon im Koalitionsvertrag so deutlich angelegt, dass es niemandem verborgen blieb". Damit sucht die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Ursache für das Wahl-Debakel ebenfalls bei der Regierung Merkel, die gut daran getan hätte, "gleich eine andere Tonlage zu wählen". "Denn kluge Taktik zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht sofort durchschaut wird. Und gewiss wäre die Koalition eine bessere Werbung für Schwarz-Gelb in Düsseldorf gewesen, wenn sie weniger Rücksicht auf Rüttgers genommen hätte. Durch hinhaltendes Regieren hat sie auch noch sich selbst geschadet. Vielleicht lernen Union und FDP aus der Niederlage (...) endlich, dass es mit dem Siegen in einer Wahlschlacht nicht getan ist."
Für die Landeszeitung kommt der Wahlausgang nicht überraschend: "Schon vor der Griechenland-Krise waren die NRW-CDU und ihr Spitzenmann Jürgen Rüttgers durch diverse Schmuddelgeschichten in ein Glaubwürdigkeitsproblem geraten. Allerdings bleibt interessant, dass der FDP ihr Beharren auf Steuersenkungen eher geschadet hat, im Vergleich zur Bundestagswahl im Herbst haben die NRW-Liberalen ihr Ergebnis halbiert. Dass sich die weiter gerupfte SPD und ihre Spitzenfrau Hannelore Kraft als Sieger geben, ist verständlich, wenn man auf den Riesenrückstand schaut, den sie noch vor Wochen hatten." Doch die wahren Sieger sind für das Blatt aus Lüneburg die Grünen. Es prophezeit: "Das Das Regieren war - die FDP lässt grüßen - für Kanzlerin Merkel bislang schon nicht einfach. Durch den Verlust der Bundesratsmehrheit wird es nun noch schwieriger. Es muss künftig noch mehr 'kompromisst' werden."
"Es können viele Gründe angeführt werden, die zu diesem für die CDU Nordrhein-Westfalens schlechten Ergebnis führten. Da ist zunächst die wenig überzeugende Vorstellung, die die schwarz-gelbe Koalition in Berlin geboten hat", schreibt die Märkische Allgemeine. "Von Rückenwind für Rüttgers konnte keine Rede sein. Da sind die unappetitlichen Durchstechereien aus dem eigenen Parteiapparat, auf die der Ministerpräsident seltsam blass und defensiv reagiert hat. Da gibt es den Angriff der Spekulanten auf den Euro und den Vorwurf der Sozialdemokraten, CDU und FDP gingen nicht entschlossen genug dagegen vor. Das alles hat sich ausgewirkt, gewiss." Doch dabei dürfe man eines nicht vergessen: "Dass Rüttgers das Land fünf Jahre regiert hat und seine Wähler auf dieser Grundlage um eine zweite Amtszeit bat. Das Ergebnis ist sein Ergebnis - und es ist unbarmherzig."
"Es ist ein politischer Erdrutsch, nur 225 Tage nach dem strahlenden Bundestagssieg von Schwarz-Gelb!", schreibt die "Bild"-Zeitung. "Die Wähler in Deutschlands größtem Bundesland haben der Regierung einen Denkzettel verpasst, den diese bis zum Ende der Legislaturperiode nicht vergessen wird. Für die CDU ist das Wahlergebnis ein Drama in drei schrecklichen Akten. Angela Merkel steht drei Jahre vor dem Ende ihrer Regierungszeit ohne Mehrheit im Bundesrat da. Jürgen Rüttgers, der Mann, der sich schon auf dem Wege zum nächsten Bundespräsidenten sah, ist brutal zurückgestutzt. Und die Griechenland-Politik der Bundesregierung ist im ersten Demokratie-Test beim Wähler glatt durchgefallen." Daran werde sich zeigen, aus welchem Holz die Kanzlerin wirklich geschnitzt ist: "Die Probleme gigantisch, der Partner gefleddert, das Regieren vor dem Hintergrund der Euro-Krise dramatisch."
"Mit Schwarz-Grün zu liebäugeln und dann doch die Bremse zu ziehen; mit der FDP zu koalieren, eine Hotelsteuer zu senken und plötzlich dem 'großen Geld' den Krieg zu erklären; sich beim Euro gegen Athen aufzulehnen und dann klein beizugeben - das war nicht förderlich", kommentiert Die Welt. "Gefühlte Führungslosigkeit im Bund hat die Wirkung der Sponsoring-Affäre von Rüttgers verstärkt. Die SPD steht verglichen mit alten Zeiten in NRW ebenfalls nicht gut da. Aber der 9. Mai ist die Niederlage von Jürgen Rüttgers und einer Bundes-CDU, die nach allen Seiten koalitionsfähig sein möchte, ohne sich dazu zu bekennen. Angela Merkels Versuch, eine austarierte Volkspartei nach links zu zwingen, hat sich gestern für die Union nicht ausgezahlt."

Die eigentlichen Gewinnerin: Sylvia Löhrmann.
(Foto: REUTERS)
"Vernichtender hätte das Signal nicht ausfallen können", schreibt die Rhein-Neckar-Zeitung. "Einerseits für den gescheiterten Jürgen Rüttgers. Die Wähler an Rhein und Ruhr quittierten erwartungsgemäß aber auch den desaströsen Auftakt von Schwarz-Gelb in Berlin und verändern die Geschäftsgrundlage der Bundesregierung. Nicht nur in Düsseldorf ist Schwarz-Gelb abserviert worden. Die Schlüsselwahl, in die in einem Klima höchster Nervosität auch aktuelle Ängste um die Griechenland-Rettung einflossen, beendet das schwarz-gelbe Projekt von Merkel und Westerwelle, bevor es richtig begonnen hat. Alle großen Reformprojekte sind angesichts der verlorenen Bundesratsmehrheit Makulatur. Und die SPD ist wieder im Spiel."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig