Pressestimmen

Pressesprecher bloßgestellt "Schäuble droht zur Zumutung zu werden"

Schäuble (l) belässt es nicht nur bei einem Rüffel gegenüber seinem Pressesprecher Offer (r).

Schäuble (l) belässt es nicht nur bei einem Rüffel gegenüber seinem Pressesprecher Offer (r).

(Foto: dpa)

Wolfgang Schäuble platzt auf einer Pressekonferenz der Kragen, weil sein Pressesprecher das Informationsmaterial nicht rechtzeitig kopiert und verteilt. Der Bundesfinanzminister stellt Michael Offer vor aller Ohren und Augen bloß. Kein feines Verhalten, das findet auch die Presse und spekuliert darüber, ob Schäuble noch an die Spitze der Gesellschaft gehört.   

Die Frankfurter Rundschau bewertet Schäubles Verhalten gegenüber Offer als eine unverschämte Zumutung: "Es ist das eine, sich selbst etwas zuzumuten, etwas ganz anderes hingegen, den anderen zur Zumutung zu werden. Mit seinem unverschämten öffentlichen Übergriff auf seinen Pressesprecher, den dieser folgerichtig gestern mit dem Rücktritt quittierte, droht das zu geschehen: Der Bundesfinanzminister droht zur Zumutung zu werden, für sein Ministerium, seine Partei, die deutsche Politik."

Die Badischen Neuesten Nachrichten sehen ähnliche Konsequenzen: "Die politischen Folgen dieses Vorfalls sind nicht abzusehen. Bislang galt Schäuble als Stütze der Regierung Merkel, als Personifizierung der eisernen Haushaltsdisziplin, nun könnte er sich ausgerechnet zum bevorstehenden Bundesparteitag in Karlsruhe als Belastung erweisen."

"Je öfter jedoch die Bundeskanzlerin versichert, wie wichtig ihr das dienstälteste Kabinettsmitglied sei, desto näher rückt Schäubles Abberufung", meint auch die Rhein-Neckar-Zeitung. Demzufolge dürfte der Rücktritt von Schäubles Pressesprecher Offer für ein ordentliches Echo sorgen. "Der Mann schmiss die Tür nicht zu, er zog sie unter dem Minister weg."

Die Berliner Zeitung beurteilt Schäubles öffentliche Maßregelungen als ein Verhalten einer "fast vergangenen Zeit", seine "herablassenden Attitüden passen nicht mehr an die Spitze unserer Gesellschaft". Heutzutage seien wir "höflicher, mitfühlender, ein wenig freundlicher und im Alltag sicher auch demokratischer als früher. Aber hüten wir uns davor, unsere Nettigkeit zu überschätzen. Denn wir sind auch verletzbarer geworden, Depressionen und Burnout-Phänomen machen in den modernen, hocheffizienten Betrieben mit ihren schwachen Autoritäten die Runde." Und da komme einer wie Wolfgang Schäuble dem Blatt gerade recht, weil "die Gegenwart ist hart und nervenaufreibend, aber die entmündigenden Umgangsformen aus der ganz alten Schule wollen wir erst recht nicht zurück. Danke, Herr Schäuble, für diese Lektion!"

Die Financial Times nimmt den Bundesfinanzminister dagegen in Schutz und steht damit recht einsam auf weiter Flur: "Wenn ein Minister einen engen Mitarbeiter öffentlich bloßstellt und dieser daraufhin zurücktritt, könnte der Fall damit eigentlich erledigt sein. Interessant wird Schäubles Aussetzer während einer Pressekonferenz vergangene Woche dadurch, dass der Fall in den Medien und seiner eigenen Partei so heftige Reaktionen auslöst." Nun bahne sich eine Diskussion an, "ob Schäuble noch der geeignete Finanzminister ist". Das sei jedoch "übertrieben und ungerecht", meint das Blatt entrüstet. "Der Eindruck drängt sich auf, dass lang angestauter Frust über Schäuble nun ein Ventil gefunden hat." Doch, so gesteht die Zeitung ein, gebe es davon unabhängig davon gute Gründe, "Schäubles Arbeit inhaltlich zu kritisieren. Solcherart sachliche Kritik sollten Koalitionspolitiker und Medien üben dürfen ohne falsche Rücksicht."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger

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