Schüler dürfen weiter benoten "Schmollen hilft niemandem"
23.06.2009, 20:47 UhrDer Bundesgerichtshof hat sein Urteil gefällt: Lehrer dürfen von ihren Schülern weiter im Internet beurteilt werden. Wenn der Streit um die Lehrerbewertungen etwas Positives hat, dann das, dass er eine Diskussion über eine bessere Dialogstruktur zwischen Schülern und Lehrern angeregt hat. Und was Spickmich angeht, ist Souveränität gefragt.

Die Bewertungen auf spickmich seien nicht gerade dialogfördernd, ist in der Presse zu lesen.
(Foto: dpa)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht sich grundsätzlich für eine Lehrerbewertung aus, bemängelt jedoch den Raum, in dem eine solche stattfindet: "Die Gewerkschaft GEW, die ohnehin eine 'Feedback-Kultur' an den Schulen vermisst, hat aus Anlass des Verfahrens geäußert, nun werde die Lehrerschaft mit der Nase darauf gestoßen, dass sie 'im Unterricht Raum geben muss für Schülerbeteiligung und Rückmeldung'. Eben: im Unterricht." Das Blatt kritisiert die fehlende Überzeugungskraft, wenn das BGH hervorhebt, dass es sich bei dem Urteil um einen Einzelfallentscheidung handle: "Eine virtuelle Ärztebewertungsstelle hat sich schon erfreut gezeigt." Und auch einen Seitenhieb auf die Richter-Kaste lässt sich die Zeitung nicht nehmen, von denen es nicht wenige gebe, "die sich dagegen verwahren, mit Foto und Namen auch nur in der Zeitung zu erscheinen". "Wie wäre wohl die Entscheidung über ein Portal 'Richtmich! ausgefallen?"
Die Magdeburger Volksstimme unterscheidet zwischen dem Bewertungsansatz und der Qualität der Bewertungen. Zwar setze jeder seine Arbeit der Kritik aus, "ob Busfahrer, Schriftsteller oder Kanzlerin", und es gebe keinen Grund, bei Lehrern eine Ausnahme zu machen. So sei das Urteil nur folgerichtig. "Dass manch ein Pädagoge empfindlich reagiert, überrascht nicht. Er oder sie ist Kritik nicht gewohnt: Schüler sind gegenüber Lehrern in einer relativ schwachen Position, und Eltern haben zu wenig Einblick für fundierte Bewertungen." Hinsichtlich der Art der Bewertungen wird das Blatt jedoch skeptischer: "Wie fundiert es allerdings ist, einem Lehrer das Attribut cool anzupappen oder seinen Unterricht zu benoten, sei dahingestellt. Noch nie war der beliebteste Lehrer automatisch auch der beste. Und was nützt einem Schüler die Bewertung? Er kann sich Lehrer nicht aussuchen." Das Blatt zieht sein Fazit: "Deshalb gibt es keine Alternative zum direkten, offenen Gespräch zwischen Schüler, Lehrer und Eltern. Mit Hilfe von Internet-Urteilen kann man vielleicht sein Mütchen kühlen, aber kein Problem lösen."
Zum Nachdenken über Verbesserungen sollte das Urteil allemal anregen, meint die Heilbronner Stimme. "Die Lehrer müssen also mit diesem Portal leben und sich überlegen, wie sie damit umgehen. Nur Schmollen hilft niemandem." Das Blatt betont die Chancen von Schüler-Rückmeldungen: "Ein engagierter Kollege mit guten Noten darf sich in seiner Arbeit bestätigt fühlen und kann sein Ansehen im Kollegium verbessern. Das ist positiver Wettbewerb." Warum sollten Lehrer nicht wie Schüler über ihre Arbeit nachsinnen? "Wenn Lehrer selber erleben, was es heißt, für eigene Anstrengungen Zensuren zu bekommen, können sie sich vielleicht besser in die Situation ihrer Zöglinge einfühlen."
Die Mainzer Allgemeine Zeitung stört sich an den von "beiden Parteien ins Feld geführten Begrifflichkeiten", die "martialisch und somit völlig unangemessen" seien: "Was soll das heißen: 'Waffengleichheit'? Das System funktioniert so: Schüler werden benotet, bekommen Studienplätze oder Lehrstellen oder nicht. Das wiegt schwer. Lehrer bekommen in spickmich attestiert, sie seien fachlich kompetent, cool oder nicht. Und unterrichten weiter." Trotz allem Verständnis für Empfindlichkeiten: "Wer dahinter Diffamierung oder die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wittert, sollte innehalten und sich vergegenwärtigen, dass Souveränität die beste Basis zur Entwicklung pädagogischer Fähigkeiten ist."
Für die Westfälischen Nachrichten verweist der Streit auf einen Mangel an einer effizienten "Dialogstruktur zwischen Lehrern und Schülern über die gegenseitige Ein- und Wertschätzung". Statt die gegenseitige Evaluation "zum Machtkampf oder zur Abrechnung" werden zu lassen, sei es wichtiger, "faire, transparente und akzeptierte Kriterien zu entwickeln". "Auch das noch, werden die von Reformen und Verordnungen so geplagten Pädagogen nun stöhnen. Was aber ist die Alternative?", fragt das Blatt aus Münster. "Eben jene anonymen Urteile in Spickmich, die zumeist wenig hilfreich und extrem subjektiv sind. Die auch nichts Positives bewirken, weil der Konflikt zwischen den betroffenen Lehrern und ihren Schülern nicht ausgeräumt, sondern eher verschärft wird."
Zusammengestellt von Nadin Härtwig
Quelle: ntv.de