Armut in Deutschland "Tragödie hinter den Zahlen"
18.05.2009, 19:46 UhrDer "Armutsatlas" des Paritätischen Gesamtverbands zeigt: Deutschland fällt sozial immer stärker auseinander. In manchen ostdeutschen Regionen sind die Armutsquoten bis zu vier Mal höher als im Süden der Republik. Das Armenhaus ist Vorpommern: Hier leben der Erhebung zufolge 27 Prozent der Bürger an oder unter der Armutsschwelle.
"Im Durchschnitt liegen die neuen Länder (19,5 Prozent Arme) deutlich hinter den alten (12,5 Prozent)", schreibt der Mannheimer Morgen. "Damit dürften sich Rufe aus dem Westen nach einem Ende der Ostförderung, speziell des Solidaritätszuschlags, erledigt haben." Denn: "Der Staat muss alles in seiner Macht stehende tun, um das Veröden ganzer Regionen zu verhindern. Den Schaden hätten nicht nur die Sozialkassen, sondern die gesamte Gesellschaft." Den Vorschlag des Wohlfahrtsverband, die Hartz-IV-Regelsätze um mehr als ein Viertel zu erhöhen, lehnt die Zeitung allerdings ab: "Das ließe sich kaum finanzieren."
Die Berliner Zeitung weist darauf hin, dass es nicht nur Unterschiede zwischen den Regionen, sondern auch zwischen den Generationen gibt: "Die Armen werden immer jünger. Mehr als eine Million Kinder leben armutsbedingt unter Umständen, die sie an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten hindern. Sie können nichts dafür, wenn ihre Eltern, warum auch immer, scheitern. Sie sind den willkürlichen Zuteilungen von Staat und Eltern ausgeliefert. Sie zu stärken, durch qualifizierte Betreuung vor der Schule, in der Ganztagsschule mit Sport, Musik, Büchern, Essen Zuwendung - das ist der Königsweg heraus aus der Armut."
Der Kölner Express widmet sich den "Tragödien hinter nackten Zahlen": In Deutschland seien Millionen Menschen arm. "Sie können gerade ihr Essen bezahlen, eine Wohnung, manche selbst das nicht. Und am meisten leiden die Kinder. Sie können oft bei Geburtstagen nicht dabei sein, weil ein Geschenk zu teuer wäre. Sie können nicht mit auf Klassenfahrten, auf muntere Ausflüge, ins Phantasialand, in den Zoo. Sie sind schon in jungen Jahren ausgrenzt. Sie sind Außenseiter, weil sie arm sind. Sie haben oft keine Zukunft. Der Bericht ist von 2007. Noch ist darin keine Rede von der Wirtschaftskrise, von noch höheren Arbeitslosenzahlen. Wir aber müssen jetzt schon dringend sehen, dass wir etwas unternehmen vor allem für die Kinder. Dass sie trotz Armut eine Chance haben. Ansonsten sieht Deutschland richtig arm aus."
"Gleichzeitig zeigt die Studie, dass die Situation, so düster sie auch sein mag, sich zum Besseren wenden kann", meinen die Badischen Neuesten Nachrichten. Und sie sparen nicht mit wohl gemeinten Ratschlägen: "Dass ausgerechnet die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg die Region ist, deren Bürger laut Studie am wenigsten von der Armut betroffen sind, mag auf den ersten Blick verwundern. Doch das einstige Armenhaus des Landes, getroffen von schweren Strukturkrisen wie dem Zusammenbruch der Textilindustrie und dem Abzug der Bundeswehr, hat sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Der Strukturwandel hin zu neuen zukunftsfähigen Industrien ist dort in vollem Gange. Dies mag für arme Regionen wie Vorpommern Lehrstück wie Vorbild sein."
Quelle: ntv.de