Berlusconis Sex-Affäre "Vielleicht kommt er auch diesmal durch"
15.02.2011, 21:00 UhrItaliens umtriebiger Regierungschef muss sich vor Gericht wegen einer Sex-Affäre verantworten. Dass Anklage gegen Berlusconi erhoben wird, ist längst überfällig. Schließlich hat er Italien genug Schaden zugefügt. Doch ob die Ära des alternden Cavaliere, der sich gerne seiner Manneskraft rühmt, wirklich zu Ende ist, steht in den Sternen. Denn am Ende findet er immer ein Schlupfloch.
"Politisch-moralisch wäre in jedem Land zumindest Westeuropas klar, was ein derart verstrickter Regierungschef zu tun hätte. Einer, der von einer Prostituierten nachts auf dem Privathandy angerufen wird (wie kam sie nur an seine Nummer?), der seinerseits dann mit einem Polizeiquartier telefoniert, um als Regierungschef und unter Lügen eine andere, auch noch minderjährige Prostituierte freizupressen, die erwiesenermaßen mehrfach bei ihm war - so einer ist untragbar", kommentiert die Stuttgarter Zeitung. Was Berlusconis politische Zukunft angeht, sieht das Blatt jedoch keine Konsequenzen: "Bei Berlusconi aber, mit einem Bonmot gesagt, geht es nun schon so lange bergab, dass mit einer Ankunft in der Talsohle schon keiner mehr rechnet. Und genau deswegen bleibt er im Amt."
Die Leipziger Volkszeitung vergleicht Berlusconi mit dem gerade gestürzten ägyptischen Präsidenten: "Mitten im Flüchtlingsdrama auf Lampedusa und einer anhaltenden Wirtschaftskrise ist die italienische Politik völlig fixiert auf die Justiz- und Privatprobleme Berlusconis, der nicht einsehen kann oder will, dass er seinem Land nur noch Schaden zufügt. Damit gleicht er - Ironie der jüngsten Geschichte - dem angeblichen Onkel seiner Bunga-Bunga-Bekannten Ruby, Husni Mubarak." Einen Unterschied macht das Blatt jedoch aus: Der "ägyptische Langzeit-Autokrat" sei weggeputscht worden. "Ein Staatsstreich ist in Italien gottlob nicht in Sicht. Doch außer dem Direktbetroffenen ist auch in Rom allen klar, dass hier ebenfalls eine Ära zu Ende geht. Die bange Frage ist nur noch wann und wie."
"Wenn nie etwas passiert sei, wie Silvio Berlusconi rührselig behauptet, wäre dies wohl das traurigste Kapitel im Leben des alternden Cavaliere", schreiben die Westfälischen Nachrichten. "Dass Berlusconi vor Gericht ausgerechnet drei Richterinnen Rede und Antwort stehen muss, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Wird nun die Affäre um eine 17-Jährige zum Stolperstein für den Regierungschef?" Das Blatt ist sich nicht sicher: "Berlusconi muss bei einer Verurteilung mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Die politische Karriere des 74-Jährigen wäre damit am Ende. Doch bei einem wie Berlusconi darf man nicht sicher sein, dass er im Stiefel nicht doch noch ein Schlupfloch findet."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung übt Kritik an den Anklägern, deren Methoden dem Prozess hinderlich sein könnten: "Die Art und Weise, wie die Staatsanwälte Beweise über das wüste Treiben in Berlusconis 'Villa Arcore' gesammelt haben, entspricht allerdings auch nicht ganz den Vorstellungen von rechtsstaatlicher Korrektheit, die in nördlicheren Breiten vorherrschen. Jedenfalls liefert sie Berlusconis Anwälten genügend Kritikpunkte, um den Prozess, der jetzt eröffnet wird, durch Verfahrenstricks und Anfechtungen zu verzögern. Das alles wäre eine rein italienische Angelegenheit, wenn es nicht so wirkte, als sei das Regieren in einem wichtigen EU-Land zur Nebenbeschäftigung des Regierungschefs geworden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Berlusconi, der mit 74 Jahren den Zenit seiner politischen Laufbahn ohnehin über schritten hat, sich hauptsächlich aus privaten Gründen an seinem Amt festklammert."
"Die 'Ruby'-Affäre hat einen besonders degoutanten Beigeschmack: Der Medienmogul rühmt sich wie ein Gigolo in aller Öffentlichkeit seiner Manneskraft. Das ist schon peinlich genug, er vernachlässigt aber offensichtlich auch seine Regierungsgeschäfte nach den langen ausgiebigen Nächten", kritisiert der Mannheimer Morgen. "Inzwischen gehört Italien zu den klammen Ländern, die als Wackelkandidaten für den Rettungsschirm gelten. Auch die tunesischen Flüchtlinge bereiten Italien große Sorgen. Da ist es nicht gut, wenn der Regierungschef ständig junge Mädchen im Kopf hat." Wie es mit Berlusconi weitergeht, mag die Zeitung auch nicht vorherzusagen: "Bisher hat der Cavaliere unzählige Korruptions-Verfahren abwenden können. Vielleicht kommt er auch diesmal durch. Oder es geht ihm wie einst Al Capone. Der landete am Ende wegen der vergleichsweise kleinen Angelegenheit im Gefängnis nämlich Steuerhinterziehung."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig