Obama legt IS-Strategie vor "Zauderer im Weißen Haus"
11.09.2014, 20:35 Uhr
Barack Obama will die IS künftig auch mit Luftangriffen in Syrien bekämpfen. Der US-Präsident schwört sein Volk gleichzeitig auf eine lange Kampagne ein. Die Presse rechnet mit einem "teuren und blutigen Kampf" und wägt die Erfolgsaussichten ab.
Obama bleibe auch im Kampf gegen den IS seiner strategischen Grundlinie treu, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Pläne des US-Präsidenten: "Keine großen Interventionskriege mehr, dafür Luftangriffe und Hilfe für verbündete Sicherheitskräfte." So habe Obama, um die politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, ein US-Engagement so lange hinausgezögert, "bis in Bagdad endlich eine Regierung stand." Das habe viel Zeit gekostet, "die die Terrorbande für ihre grausamen Ziele zu nutzen wusste". Doch obwohl dies dem Präsidenten schon früh als Schwäche ausgelegt worden sei, ziehe er letztlich "nur die Lehren aus den vielen gescheiterten Interventionen der vergangenen 20 Jahre".
"Lange hat der Zauderer im Weißen Haus gebraucht, um seinen Widerwillen zu überwinden, die USA in einen Krieg hineinzuführen", schreibt die Landeszeitung aus Lüneburg. Am Vorabend des 13. Jahrestages von 9/11 präsentiere sich Obama zwar als führungsstarker Präsident. Führungsstärke mache jedoch keinen erfolgreichen Kriegsherrn, mahnt das Blatt und gibt zu bedenken: "Die sunnitischen Schwergewichte Türkei und Saudi-Arabien zögern, der Koalition beizutreten. So läuft Washington Gefahr, sich als Luftwaffe von Kurden und Schiiten selbst in den Dienst zu nehmen. Bei zu erwartenden zivilen Opfern droht eine Radikalisierung bisher gemäßigter Sunniten. Um eine Strategie im Clausewitzschen Sinne zu entwerfen, hätte Obama zudem ein Ausstiegsszenario skizzieren müssen"
Ähnlich sieht es der Münchner Merkur: "Nun ist es also amtlich: Die USA ziehen wieder in den Anti-Terror-Kampf. Gegen die IS-Terroristen und an der Spitze einer Allianz gegen das Böse." Doch wie glaubwürdig Obamas Ankündigungen sind, bleibe abzuwarten: "Obama will sein Land nicht in ein neues Kriegs-Abenteuer verstricken." Der US-Präsident könne sich der Verantwortung allerdings nicht entziehen, denn "das Erstarken des IS" gehe "auch auf das Konto der US-Orientpolitik von George W. Bush". Zu den Aussichten des US-Engagements in der Region schreibt das Blatt abschließend: "Es wird ein langer, teurer und blutiger Kampf. Und ob der IS besiegt werden kann, ist so offen wie die Erfüllung des Präsidenten-Wunsches, ein Schattenkrieger zu bleiben und ohne Bodentruppen auszukommen."
Die Stuttgarter Zeitung bewertet die Pläne des US-Präsidenten äußerst kritisch: "Selbst wenn eine internationale Koalition der Willigen unter Führung der USA zustande käme, selbst wenn Staaten wie Saudi-Arabien und die Türkei mitmachten, lässt sich eines doch bereits sagen: Der Einsatz des Militärs wird die Terrorgruppe schwächen, vernichten wird er sie nicht. Auch die Grundlage für den Terrorismus wird damit nicht beseitigt.
Der Tagesspiegel geht auf die Rolle Deutschlands und der Türkei im Konflikt mit den IS-Kämpfern ein. Die Bundesrepublik sei gefordert gegenüber Ankara außenpolitisch stärker zu agieren, so die Zeitung aus Berlin: "Das betrifft vor allem das Verhältnis zur Türkei. Ihr Staatspräsident und langjähriger Premier Recep Erdogan ist Teil des Terrorproblems - und könnte doch dazu beitragen, es zu verringern. Die türkische Regierung duldet, abgesehen von sporadischen Festnahmen, den Zustrom der Dschihadisten nach Syrien. Und die Rückreise von Kämpfern nach Deutschland und in andere europäische Staaten." Damit setze die Türkei Nato-Partner der Gefahr von Anschlägen aus, was Erdogan jedoch offenbar egal sei. Deutschland, die EU und die USA könnten dies nicht hinnehmen: "Stärker als bisher sollte Erdogan in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag zur Eindämmung des Terrors zu leisten."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de