Royale Hochzeit in London "Zugucken ist freiwillig"
28.04.2011, 20:40 UhrDas Warten auf die Hochzeit des Jahres hat ein Ende: Prinz William und seine langjährige Freundin Kate Middleton geben sich am Freitag das Ja-Wort. Die royale Trauung ist das Medienereignis des Jahres. Es wird damit gerechnet, dass weltweit etwa zwei Milliarden Menschen das Geschehen im Fernsehen und im Internet verfolgen. In Deutschland übertragen sechs Sender das Ereignis live. Neben den zwei öffentlich-rechtlichen Kanälen ARD und ZDF sind auch der Nachrichtensender n-tv und RTL von morgens bis nachmittags dabei, um Berichte, aktuelle Bilder aus London und Experteneinschätzungen zu liefern.
Die Berliner Zeitung ist verwundert über die parallele Hochzeitsübertragung von ARD und ZDF: "Eine Geld- beziehungsweise Gebührenfrage ist die Doppelübertragung nicht. Aber wenn es eine der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, eine gewisse Vielfalt zu gewährleisten, wird sie mit diesem Parallelprogramm ad absurdum geführt. Nicht zum ersten Mal. Die Doppel-Hochzeit führt jedenfalls vor Augen, dass in einem Rundfunksystem, in dem zwei gebührenfinanzierte Sender sechs Stunden lang das gleiche Programm ausstrahlen, irgendetwas falsch läuft. Egal, ob sie viel oder wenig kostet".
Der Tagesspiegel betrachtet die königliche Hochzeit in Großbritannien als Kraftakt der Monarchie: "Aus der Perspektive eines Landes, in dem die Menschen aus den politischen Ämtern flüchten, wirkt die hartnäckige Selbstlosigkeit, mit der sich die englische Königin ihrem Amt ergibt, merkwürdig unzeitgemäß. Horst Köhler hätte an ihrer Stelle schon dreimal abgedankt. So märchenhaft die Hochzeit erscheinen mag, es geht dabei am wenigsten um den schönsten Tag im Leben zweier junger Menschen. Die Mitglieder der königlichen Familie sind pflichtbewusste Arbeiter im Bergwerk der Geschichte, die Veranstaltung in der Westminster Abbey dient vor allem einem Zweck: Kontinuität zu verkörpern".
"Monarchie ist für die Massen, nicht für die Minderheiten", schreibt die Wetzlarer Neue Zeitung. Für die hessische Zeitung widmen die Massenmedien der Hochzeit des Jahres nur die Aufmerksamkeit, die ihre Nutzer verlangten: "Das ist ein Stück Medien-Demokratie. Die pompöse Berichterstattung über die Hochzeit des Jahres ist also ihren Aufwand wert - den notorischen Nörglern und Miesepetern zum Trotz".
Die Stuttgarter Zeitung bemerkt: "Die Monarchie rund um die Queen bildet die traditionelle Kultur Großbritanniens. Dieser beständige Fixpunkt schafft eine Verbindung zwischen den Menschen, die sich in Deutschland manch einer wünschen würde - etwa so wie bei den gemeinschaftlich empfundenen Glücksgefühlen während der Fußball-WM 2006. Dass das britische Königshaus historisch betrachtet ein von Deutschen durchsetztes Gebilde ist - die Heiratspolitik des Adels hat Männer und Frauen aus allen Gegenden Deutschlands nach London gebracht -, mag auch zu der Begeisterung beigetragen haben. Eine größere Rolle dürfte jedoch die Sehnsucht nach dem Irrationalen spielen, nach dem bisschen Märchen im grauen Alltag".
Im Westfälischen Anzeiger ist zu lesen: "Man kann in deutscher Gründlichkeit darüber streiten. Und ja: Einiges von dem, was (…) in London abläuft und über Millionen Bildschirme flimmert, ist vielleicht belächelnswert, mutet anachronistisch an und erinnert an eine krude Mischung aus vorvorgestriger Abgehobenheit und Augsburger Puppenkiste". Und auch wenn, so die in Hamm herausgegebene Zeitung, "eine Republik wie unsere eher am Puls der Zeit als eine Monarchie" lebe, so laufe die "bessere Show" am Freitag "allemal auf der Insel. Und Zugucken ist freiwillig".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke