Ratgeber

Ein zweischneidiges Schwert Dem Chef von Depressionen erzählen?

Allzu leichtfertig sollte man mit dem Thema nicht umgehen.

Allzu leichtfertig sollte man mit dem Thema nicht umgehen.

(Foto: imago images/Cavan Images)

Depressionen, Angststörungen und andere psychische Krankheiten können oft mit langen Fehlzeiten einhergehen. Doch nicht nur das: Sie beeinträchtigen in vielen Fällen auch den Berufsalltag und die Arbeitsleistung. Aber sollte man dem Chef davon erzählen?

Die Zahl der Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen steigt: Die Krankenkasse DAK Gesundheit verzeichnet hier in den Jahren 2009 bis 2019 wegen Depressionen einen Anstieg der Krankheitstage um 137 Prozent. Bei Angststörungen sind es 205 Prozent und bei gemeldeten Ausfalltagen wegen schwerer Belastungen und Anpassungsstörungen sogar 332 Prozent. Im Jahr 2020 erreichten Arbeitsausfälle wegen psychischer Erkrankungen wohl vor allem wegen der Corona-Krise einen neuen Höchststand: Insgesamt 264 Fehltage verzeichnet die DAK hier. Damit waren Seelenleiden nach Rückenschmerzen der zweitwichtigste Grund für eine Krankmeldung.

Doch warum scheuen sich viele Arbeitnehmer, mit dem Chef über ihre persönlichen Probleme zu sprechen? Das liegt auch daran, dass psychische Krankheiten wie Depressionen, Süchte und Angststörungen immer noch in der Gesellschaft mit einem Stigma behaftet sind. Gerade deshalb befürchten die Betroffenen oft, von ihrem Vorgesetzten entweder nicht ernst genommen oder für selbst schuld an ihrer Erkrankung gehalten zu werden. Aber es drohen noch weitere Konsequenzen bei einem "Outing".

Im Zweifel lieber Vorsicht walten lassen

Bei der Frage, ob man dem Chef vom psychischen Leiden erzählen soll, sollte man sich vorher über einige Dinge Gedanken machen. Das Vertrauensverhältnis spielt hier wohl die größte Rolle. Wer seinen Chef sehr gut kennt und ein eher freundschaftliches Verhältnis mit ihm pflegt, kann es mitunter wagen. Besonders wenn man bereits einige Jahre in der Firma tätig ist und immer gute Arbeit geleistet hat, sollte so ein "Geständnis" kein Co-Kriterium für die Karriere sein - eigentlich. Denn all diese Punkte sind keine Garantie dafür, dass die ganze Sache einen guten Ausgang nimmt. Die Reaktion des Einzelnen lässt sich schließlich trotz guter Menschenkenntnis nie hundertprozentig vorhersagen.

Manche Chefs reagieren regelrecht abweisend. Sie lehnen es prinzipiell ab, Mitarbeiter in ihrer Firma zu haben, die sie als "schwach" ansehen. Manchmal handelt es sich dabei aber um narzisstische Persönlichkeiten, die selbst in irgendeiner Weise ein Problem mit diesen Themen haben. Die größte Gefahr ist wohl, dass man es seinem Vorgesetzten damit leichter macht, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Psychische Krankheiten sind oft eine langwierige Sache, sodass die Arbeitsausfälle schon einmal gehäuft vorkommen oder wochen- und monatelang andauern können. Dazu kommen dann auch noch weitere Krankheitstage, beispielsweise wegen einer Erkältung. Weiterhin riskiert man eben, stigmatisiert zu werden oder übermäßig Mitleid zu ernten. Aber Mitleid drängt die Betroffenen nur noch weiter in die Opferrolle und schwächt damit deren Selbstwertgefühl sowie das Ansehen in der Firma.

Der elegante Ausweg

Wer seinem Chef nicht direkt die ganze Wahrheit ins Gesicht sagen möchte und wenn Stillschweigen auch keine langfristige Option ist, der kann einen leichteren Mittelweg wählen. Burnout ist hier das Stichwort. Diese Krankheit geht oft mit den Symptomen von Depressionen und Angststörungen einher, nämlich Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit und Niedergeschlagenheit. Ein Burnout findet häufig mehr Akzeptanz, besonders in der Arbeitswelt. Oftmals gehen die Betroffenen nach erfolgreicher Behandlung gestärkt und mit neuer Motivation in den Arbeitsalltag zurück. So wird den Vorgesetzten auch ein wenig die Angst vor einem dauerhaften "Problemfall" in der Firma genommen.

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Ein Burnout hat also - nach der Behandlung - ein Ende. Eine Depression wird von vielen Arbeitgebern dagegen wie ein endloser Schrecken wahrgenommen. Denn wie bereits erwähnt sind psychische Krankheiten oft langwierig und können mitunter jahrelang andauern. Selbst ein Alkoholiker wird nach seinem Entzug immer noch als ein trockener Alkoholiker wahrgenommen, der prinzipiell immer rückfallgefährdet ist. Ein weiterer Vorteil der Verpackung "Burnout" ist, dass der eine oder andere Chef das Problem von sich selbst kennt und daher ein besseres Verständnis aufbringen kann.

Fazit: Welche Lösung im Einzelfall am besten geeignet ist, sollte sorgfältig im Vorfeld abgewogen werden. Prinzipiell ist aber für Neulinge in der Firma in jedem Fall davon abzuraten, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Auch ein Burnout wirkt nach nur sechs Monaten Tätigkeit nicht unbedingt glaubwürdig.

Quelle: ntv.de, imi

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