Verbraucherexperte im Interview Das sind die größten Abzockfallen
07.02.2023, 10:32 Uhr (aktualisiert)
Im Alltag zu sparen, ist gar nicht schwer.
(Foto: IMAGO/Wolfgang Maria Weber)
Energiekrise, Inflation, steigende Mietpreise: Gerade in diesen Zeiten ist es für Verbraucher besonders wichtig, nicht unnötig draufzuzahlen. Leider sind die Abzockmaschen oftmals sehr raffiniert, sodass viele Menschen gar nicht merken, wie sehr sie ihr Geld aus dem Fenster werfen. Welche das sind und wie man günstiger einkauft, erklärt Verbraucherexperte Ron Perduss im Interview mit ntv.de.
Eine aktuelle Auswertung von "WeltSparen" zeigt, dass die Deutschen pro Tag immer noch durchschnittlich 24,19 Euro verschwenden. Das liegt vor allem an raffinierten Abzockmethoden, die der "ntv service"-Moderator Ron Perduss sehr gut kennt. Der Verbraucherexperte hat nun ein Buch darüber geschrieben, mit dem Titel "Abzocke". Wo im Alltag häufig viel mehr Geld ausgegeben wird, als es notwendig wäre, verrät er im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Herr Perduss, viele Menschen haben diverse Kundenkarten im Portemonnaie Lohnt es sich eigentlich, diese zu besitzen oder auch Treuepunkte zu sammeln, um Geld zu sparen?
Ron Perduss: Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein großes Einkaufszentrum und jemand möchte Ihre Telefonnummer, Ihre E-Mail-Adresse und Ihre Wohnadresse haben. Im Gegenzug gibt er Ihnen ein Rabattgutschein mit einem Prozent Rabatt. Würden Sie auf das Angebot eingehen? Sicherlich nicht. Aber genau das passiert mit den Punktesammelkarten. Die geben immer ein Prozent Rabatt, außer wenn es Sonderrabatte gibt. Bei den Sammelkarten geht es darum, Punkte zu sammeln. In dem Moment, wo man einkaufen geht, sieht man eben nur Punkte und keine Rabattierung. Wenn man für 100 Euro einkaufen geht und 100 Punkte bekommt, sind das 100 Cent - also ein Euro. Bei den Treuepunkten ist es noch dreister. Hier muss man erst Umsatz machen für die Punkte, um dann ein Produkt zu einem vergünstigten Preis kaufen zu können. Das sind meistens Markenprodukte von Topf- oder Messersets. Viele Untersuchungen haben schon gezeigt, dass das keine echten Markenprodukte sind, sondern solche, die speziell dafür hergestellt wurden. Bei den Topfsets nimmt man zum Beispiel dann dünnwandigen Stahl. Die 70 Prozent Rabatt haben dann mit der Realität nicht viel zu tun. Es handelt sich schließlich um eine schlechtere Qualität.
Viele Shops bieten auch Apps an, die man sich auf das Smartphone herunterladen kann, um ein paar Prozente zu sparen. Was halten Sie davon?
Es ist möglich, damit Geld zu sparen. Gerade bei Supermärkten bekommt man als Kunde mit der App oft einen vergünstigten Preis. Man muss sich aber immer fragen, ob es einem das wirklich wert ist, dafür seine persönlichen Daten anzugeben. Oftmals kann man diese Preisnachlässe auch woanders bekommen. Ich empfehle immer die Prospekte. Auch gibt es Internetseiten, wo Coupons angeboten werden, ohne dass man seine persönlichen Daten preisgeben muss.
Was ist das Problem mit der Unverbindlichen Preisempfehlung (UVP-Preis)?
Das Problem ist, dass dieser Preis in der Realität - auch wenn es der Gesetzgeber vorschreibt - selten genommen wurde. Wir sehen das vor allem bei Möbelhäusern, die dann mit dem UVP-Preis in die Werbung gehen und permanent große Rabatte anbieten. Dann kostet die Couch plötzlich 50 Prozent weniger auf den UVP-Preis, aber das ist eben ein Preis, der vom Hersteller kommt. Es liegt auch die Vermutung nahe, dass es Absprachen zwischen dem Verkäufer und dem Hersteller gibt. Theoretisch muss der Preis nur einmal genommen worden sein, damit er genutzt werden kann als Basis. Die Frage ist, ob das überhaupt der Fall gewesen ist. Deswegen würde ich den UVP-Preis immer ignorieren.
Kann man den Angeboten in Outlet-Stores vertrauen?
Die werben auch immer mit großen Rabatten auf den UVP-Preis. Aber auch da gilt das Gleiche wie bei den Prämien. Das sind speziell hergestellte Produkte nur für das Outlet. Sie haben in der Regel eine schlechtere Qualität. Den UVP-Preis gab es real nie und deswegen ist diese Rabattierung Quatsch.
Viele Schnäppchen im Sale oder an Rabatttagen, wie dem Black Friday, sind nicht echt. Wie erkennen Verbraucher ein gutes Angebot?
Ich würde immer empfehlen, Preissuchmaschinen zu nutzen. Die meisten großen Preissuchmaschinen haben auch eine Preishistorie, das heißt, sie zeigen auch die Preisentwicklung der letzten Wochen und Monate an. Da kann man sich gut orientieren. Gerade vor diesen Schnäppchentagen würde ich immer schauen, ob das wirklich der günstigste Preis aktuell ist oder ob es das Produkt schon mal günstiger gab. Im letzten Jahr gab es eine Gesetzesänderung. Online-Shops müssen demzufolge bei Preissenkungen immer den günstigsten Preis der letzten 30 Tage angeben. So kann man schauen, ob es sich hier wirklich um ein gutes Schnäppchen handelt oder der Preis vorher künstlich hoch gesetzt wurde, um ihn dann massiv senken zu können. Preissuchmaschinen sind das beste Tool, weil man die Preishistorie hat. Wir sehen teilweise extreme Preisschwankungen, gerade bei Elektronik.
Was sind die größten Abzockfallen im Supermarkt?
Da gibt es mehrere. In meinem Buch habe ich 20 bis 30 aufgeschrieben. In den letzten Monaten sind mir vor allem zwei Maschen aufgefallen. Da geht es um die Werbeaussagen auf den Produkten. Zum einen geht es um die High-Protein-Werbung, also um Produkte mit einem hohen Eiweißanteil. Das fing mit Joghurts an, aber mittlerweile gibt es auch Pizza und andere artfremde Produkte mit dieser Werbung. Die Produkte sind deutlich teurer, aber die Frage ist: Wer braucht das überhaupt? Viele Menschen haben am Rande mitbekommen, dass Sportler viel Protein brauchen, weil das den Muskelaufbau unterstützt. Die Wahrheit ist aber, dass selbst Spitzensportler diese hohe Proteinzufuhr nicht benötigen. Wer sich proteinreich ernähren will, kann auch normale Lebensmittel zu sich nehmen und braucht nicht diese zubereiteten Fertigprodukte. Aber die Konzerne schlagen ordentlich drauf. So ein High-Protein-Pudding kostet dann 50 bis 60 Prozent mehr als der normale Pudding daneben, der vielleicht die gleiche Geschmacksrichtung hat.
Eins meiner Lieblingsthemen sind auch diese De-luxe-Gourmet-Produkte, die gerade rund um Feiertage angeboten werden. Die sind dann auch schön schwarz verpackt mit einer goldenen Schleife drumherum, sodass man den Eindruck hat, ein sehr hochwertiges Lebensmittel zu bekommen. Am Ende sind diese besonderen Zutaten, die auf der Vorderseite ausgelobt werden, auf der Verpackung nur im Mikrogrammanteil drin. Außerdem ist das Produkt trotzdem stark verarbeitet und unterscheidet sich kaum von den anderen Produkten. Am Ende kann man auch das No-Name-Produkt kaufen, weil sich die Qualität nicht großartig unterscheidet.
Was kann man also tun, um beim Supermarkteinkauf zu sparen?
Wichtig ist es, sich die Sonderangebote anzugucken, Prospekte zu lesen und sich mit Preisen zu beschäftigen. Man sollte zudem nicht mit leerem Magen einkaufen gehen und auf Eigenmarken sowie No-Name-Produkte setzen. Stiftung Warentest hat die Tests der letzten vier Jahre ausgewertet und Markenartikel mit No-Name-Produkten verglichen. Man spart mit Eigenmarken 30 Prozent beim Einkaufspreis und die Eigenmarken haben bei der Qualität etwas besser abgeschnitten als die Markenprodukte. Also man kauft eine sehr gute Qualität zum günstigen Preis. Die Verpackungen sehen zwar nicht so schön aus, aber der Inhalt ist trotzdem sehr gut.
Die Energiekosten sind explodiert durch den Ukraine-Krieg. Wie findet man den günstigsten Energieversorger?
Man sollte die Vergleichsportale nutzen, denn gerade aktuell senken einige Energieversorger wieder ihre Preise. Das heißt, es ist wieder sinnvoll, die Preise zu vergleichen, wenn Preiserhöhungsschreiben kommen. Alle zwölf Monate sollte man den Preischeck machen und natürlich auch den eigenen Verbrauch steuern und optimieren.
Auch Bankkunden sind vor Abzockmaschen nicht sicher. Wie zocken Banken ihre Kunden ab?
Jedes Unternehmen will Geld verdienen und die Banken verdienen nicht mit dem Girokonto Geld, sondern mit allen anderen Produkten. Es gibt einige davon, die ich für Abzocke halte. Der Klassiker ist für mich die Restschuldversicherung, die immer bei Krediten angeboten wird. Die soll dann einspringen, wenn man seine Kreditraten aufgrund von Krankheit oder Arbeitslosigkeit nicht zahlen kann. Das Problem dabei ist, dass der Beitrag hier sehr teuer ist. Mir schrieb neulich ein Verbraucher, der eine Autofinanzierung bei einem Autohaus beantragt hatte, dass die Prämie für die Restschuldversicherung bei ihm bei 3000 Euro lag. Die verteilt sich zwar über die sechs Jahre, in denen er das Auto abzahlt, dennoch ist es für mich Abzocke. Wenn man das Todesfallrisiko absichern möchte, bekommt man so eine Risikolebensversicherung schon für ein paar Euro im Monat und kann sich diese 3000 Euro oder mehr locker sparen.
Wo ist der Haken beim kostenlosen Girokonto?
Es gibt nur noch eine Handvoll Banken, die kostenlose Konten anbieten. Und man sollte sich darüber klar sein, dass eine Bank nichts zu verschenken hat und das Geld an anderen Stellen wieder eingeholt wird. Mein Tipp ist immer, sich genau die Konditionen ansehen. Das Konto mag kostenlos sein, aber vielleicht muss man Leistungen gesondert zahlen. Oder die Kreditkarte kostet mehr als bei einer anderen Bank.
Auch bei Versicherungen gibt es viele Fallen. Welche sind sinnvoll und von welchen Versicherungen raten Sie ab?
Es gibt ein paar Versicherungen, die jeder haben sollte. Das ist für mich die private Haftpflichtversicherung, weil die immer dann eintritt, wenn man einem Dritten einen Schaden zufügt. Wenn man eine Wohnung hat, ist es sinnvoll, über eine Hausratversicherung nachzudenken. Dann ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sehr wichtig neben der Krankenversicherung, die jeder haben sollte. Es gibt aber auch ganz viele unnötige Versicherungen wie zum Beispiel die rund um den Urlaub - etwa Reiserücktrittsversicherungen oder Reisegepäckversicherungen. Auch eine Glasbruchversicherung oder Handyversicherung braucht keiner.
Warum nicht?
Die Fälle, in denen geleistet wird, sind sehr kompliziert, sodass der Versicherungsfall in der Regel nicht eintritt. Die Versicherungen wollen auch ihr Geld zusammenhalten. Wenn man eine Reisegepäckversicherung abgeschlossen hat und einem der Koffer geklaut wird, bekommt man eben nicht einfach das Geld zurück. Man müsste sich schon mit einer Handschelle am Koffer festketten und wenn er dann geklaut wird, zahlt die Versicherung. Es gibt außerdem auch Situationen, in denen man schon versichert ist. Ist der Koffer am Flughafen in den Händen der Airline, haftet diese dafür. Oder wenn der Koffer im Hotel geklaut wird, dann haftet die Hausratversicherung, weil der Koffer zum Hausrat gehört. Das wissen viele Verbraucher nicht und das nutzen einige Versicherungen aus. Bei der Reiserücktrittversicherung reicht eben auch kein kleiner Schnupfen, damit diese einspringt, wenn man krank ist und die Reise nicht antreten kann. Die zahlt nur, wenn es sich um eine schwere Erkrankung handelt oder ein Angehöriger stirbt. Die zahlt aber nicht, wenn man doch keine Lust auf den Urlaub hat oder der Partner sich trennt. Das lohnt sich nur bei teuren Reisen oder Reisen mit mehreren Personen, wo eher die Gefahr besteht, dass jemand krank werden könnte. Eine Auslandskrankenversicherung ist dagegen sehr wichtig, weil enorm hohe Kosten entstehen können, wenn man krank ist und gerade außerhalb der EU unterwegs ist.
Welche Abzockfallen lauern bei Mietverträgen?
Bei Wohnungen ist für mich eine große Abzocke immer die Nebenkostenabrechnung. Jede zweite Nebenkostenabrechnung ist falsch, nicht immer mit betrügerischer Absicht, aber hier gibt es unter den Vermietern trotzdem einige schwarze Schafe. Die wenigsten Menschen machen sich die Mühe, ihre Nebenkostenabrechnung ordentlich zu prüfen. Auch Schönheitsreparaturen sind ein häufiger Streitpunkt. Da sollte man sich immer genau den Mietvertrag anschauen, was dort drin steht. Was die Höhe der Miete betrifft, sollte man sich immer am örtlichen Mietspiegel orientieren.
Mit Ron Perduss sprach Isabel Michael
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 05. Februar 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, imi