Hamburg & Schleswig-Holstein Kaktus-Diebe schlagen immer wieder in Botanischen Gärten zu
13.09.2025, 07:03 Uhr
Zertrümmerte Gewächshaus-Fenster oder ausgebuddelte kleine Pflanzen: In einigen Botanischen Gärten im Norden werden immer wieder Pflanzen gestohlen. Darunter uralte Kakteen von unschätzbarem Wert.
Kiel/Schwerin/Hamburg (dpa/lno) - Fleischfressende Pflanzen, Agaven oder Kakteen im Reisekoffer: Diebstähle aus Botanischen Gärten kommen in einigen Einrichtungen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig vor. Besonders an einem Ort beobachtet eine Betreiberin eine Zunahme des Problems. Gravierend ist nicht nur der finanzielle Verlust für die Gärten.
Kakteen im Koffer und Macheten in Kiel
Seit 2012 habe es im Botanischen Garten der Christian-Albrechts-Universität in Kiel mindestens 20 Diebstähle mit ungezähltem Diebesgut gegeben, sagte Susanne Petersen, stellvertretende technische Leiterin des Botanischen Garten, der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Teilweise seien dabei Zäune zerschnitten, in abgeschlossene Bereiche eingebrochen sowie Gewächshausfenster zerschlagen und Pflanzen über Abzäunungen auf den Weg außerhalb des Gartens geworfen worden. "Vom finanziellen Wert her ist der Schaden schwer zu beziffern, weil es sich teilweise um sehr seltene und alte Pflanzen handelt."
Zuletzt hatten nach Angaben von Petersen Diebe Mitte August verschiedene Sukkulenten gestohlen sowie mehrere rare und frisch getopfte Pflanzen - darunter mehrere Armvoll Agaven und Dasylirion. Die frisch gepflanzten Gewächse seien noch nicht fest verwurzelt und einfacher zu stehlen, sagte die Expertin. "Das muss geplant gewesen sein."
Im April seien 18 Pflanzen verschiedener Arten gestohlen und durch Diebstahlversuche vor allem Sukkulenten stark beschädigt worden. Eine Reisetasche mit Rollen und einem rund einen halben Meter großen Kaktus fanden Mitarbeiter hinterher außerhalb des Tores, wie Petersen schilderte. "Das muss dem Dieb wohl zu schwer geworden sein und er hat es zurückgelassen", sagte sie.
Mitarbeiter können Gelände nicht überwachen
Vor einigen Jahr habe jemand nachts in einem nicht öffentlichen Gewächshaus ein Fenster unbeschädigt aus seiner Gummidichtung gelöst. "Innen wurden dann leider einige große Säulenkakteen mit einer Art Machete halbiert, so dass die Pflanzen dadurch stark beschädigt waren", teilte die Biologin mit. Sie beobachte - auch aufgrund der gleich zwei größeren Taten in diesem Jahr - eine Zunahme bei den Pflanzendiebstählen.
Die Taten gefährden laut Petersen sowohl die Arten als auch den Bestand, weil es von vielen gestohlenen Pflanzen nur wenige Exemplare gibt. Nicht immer können demnach Stecklinge von den verbliebenen, oft verstümmelten Pflanzenresten gezogen werden. Zudem haben die Diebe oft kein Wissen darüber, wie die Pflanzen gehalten werden - dann gehen diese ein, wie die Expertin vermutet.
Die großen Gewächse im Neuen Botanischen Garten am Stadtrand von Kiel werden laut Petersen alle frei zugänglich gezeigt. Einige Pflanzen befinden sich in Vitrinen - darunter auch die Mittagsblumengewächse sowie die sogenannten lebenden Steine. Überwachen können die Angestellten das Geschehen auf dem rund acht Hektar großen Gelände laut Petersen nicht. Kameras gebe es demnach aufgrund des Mitarbeiter-Schutzes nicht.
Der Polizei in Kiel liege aus diesem Jahr eine Anzeige wegen des Diebstahls von Pflanzen aus dem Botanischen Garten vor, teilte eine Sprecherin der Kieler Polizei der dpa mit. Anzeigen aus dem vergangenen Jahr liegen demnach nicht vor. Ob die Zahl der Taten in den vergangenen Jahren zugenommen hat, konnte die Sprecherin nicht sagen. "Eine Auswertung der letzten zehn Jahre müsste händisch erfolgen und ist durch uns nicht leistbar."
Mecklenburg-Vorpommern: Diebe stehlen Modepflanzen
Auch im Botanischen Garten der Universität Greifswald werden immer wieder Pflanzen gestohlen. Rund ein bis zwei Mal komme das pro Monat in der Saison vor - im Winter sei es weniger, sagte Ingrid Handt, Technische Leiterin des Gartens, der dpa. Manche Diebstähle würden auch nicht sofort entdeckt und fallen erst bei Arbeiten in den Bereichen auf - "zum Beispiel, wenn ein kleines Stück Polsterstaude fehlt". Entwendet werden demnach unter anderen Modepflanzen, wie bestimmte Sukkulenten, aber auch Aronstabgewächse.
"Es bewegt und enttäuscht uns - auch, weil wir viel Arbeit in den Garten stecken", sagte Handt. Sie sei verwundert über das Vorgehen, da viele Pflanzen auch online zu kaufen sind. Ein echter Liebhaber, oder Pflanzenkenner würde die Betreiber des Gartens nach einem Ableger fragen. "Teilweise gehen die übrig gebliebenen Pflanzen sowie das Stück aus dem Diebstahl kaputt, weil sie ungeschickt ausgegraben wurden."
Bei einzelnen Diebstählen von Raritäten - wie Weihrauchpflanzen oder sogenannte lebende Steine - könne ein ganzer Bestand gefährdet sein. Zum Beispiel, wenn es kein Reserve-Exemplar für eine erneute Vermehrung gibt.
Die Gartenleitung zieht Konsequenzen und bewahrt einzelne Pflanzen unzugänglich auf. Der Pflanzen-Diebstahl sei daher auch ein Nachteil für alle Besucher, sagte Handt. Einzig Glasscheiben böten Schutz vor Langfingern. In Greifswald stehen unter anderem die fleischfressenden Pflanzen sowie die Orchideen hinter Glas.
Anzeigen bei der Polizei eher selten
Zur Anzeige bei der Polizei bringe der Botanische Garten lediglich solche Fälle, in denen Türen aufgebrochen werden oder seltene Pflanzen verschwinden. Erfolg bringe das nicht, sagte Handt: "Ich habe noch nie erlebt, dass Pflanzen zurückkamen, oder ein Täter gefasst wurde."
Bei der Polizei sind für das laufende Jahr 2025 sowie für das vergangene Jahr keine Pflanzen-Diebstähle im Botanischen Garten Greifswald registriert, wie eine Sprecherin der Polizeiinspektion in Anklam der dpa mitteilte. Auch in den vergangenen zehn Jahren habe es seit Anfang 2015 keine Anzeigen in diesem Bereich gegeben.
Entspannter sieht es laut einer Sprecherin im Botanischen Garten der Universität in Rostock aus: "Nach Rücksprache mit der Leitung des Botanischen Gartens in Rostock, Herrn Dr. D. Göltze, spielt Diebstahl in Rostock kaum bis gar keine Rolle", teilte eine Sprecherin der Universität der dpa mit. Nähere Statistiken hierzu werden demnach nicht geführt.
Der Polizeiinspektion Rostock liegen von 2023 und 2024 zwei Strafanzeigen im Zusammenhang mit dem Botanischen Garten vor, wie das Polizeipräsidium in Rostock mitteilte.
Zugang zu Kakteen in Hamburg versperrt
Die maroden Tropengewächshäuser in Planten un Blomen in Hamburg, in denen unter anderem seltene und alte Kakteen wachsen, sind seit mehreren Jahren geschlossen, wie eine Sprecherin des Botanisches Garten der Universität Hamburg der dpa sagte. Diebstähle habe es daher zuletzt nicht gegeben.
2026 sollen voraussichtlich die Bauarbeiten für ein neues Tropenhaus in Klein Flottbek im Bezirk Hamburg-Altona starten - einige der Pflanzen aus dem alten Gewächshaus sollen dann dort ausgestellt werden.
Valide Zahlen zu möglichen Pflanzen-Diebstählen aus der Vergangenheit konnte die Hamburger Polizei nicht übermitteln, da diese in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht gesondert ausgewiesen werden, wie eine Sprecherin auf dpa-Nachfrage mitteilte. Auch das Landeskriminalamt in der Hansestadt könne sich an keine Diebstähle in Botanischen Gärten erinnern.
Quelle: dpa