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Rheinland-Pfalz & Saarland Swipen war gestern - Tröten ist heute

Match per Tröte: In einem Dorf im Saarland werden Paare lautstark über das Tal verkündet – und manchmal funkt es wirklich. Was es mit dem Brauch auf sich hat.

Saarhölzbach (dpa/lrs) - Dating-Apps braucht man in Saarhölzbach nicht. Hier gibt es einen besonderen Brauch, dessen Ziel ist es, Leute zu verkuppeln. Jedes Jahr werden rund 100 zuvor ausgewählte Paare ausgerufen, die dann gemeinsam zum Ball gehen. "Dabei kommt es immer wieder mal vor, dass es funkt", sagt der stellvertretende Ortsvorsteher Hans-Dieter Michel.

Das sogenannte "Lehnenausrufen" wird von denjenigen organisiert, die in dem Jahr 20 Jahre alt werden. Sie stellen sich am zweiten Samstag im Januar im Dorf auf einen Berg - und rufen mit einer großen "Tuut" oder "Trööt" die Namen der Paare über dem Tal aus. Auf einem gegenüberliegenden Berg steht der ein Jahr jüngere Jahrgang - und bestätigt in einem festgelegten Ruf-Dialog die Zuteilungen mit einem "daat is good" (das ist gut).

Bestechung ist möglich

"Wir haben dann uns natürlich vorher überlegt, wen wir mit wem ausrufen", sagt Ben Klein vom "Lehnenkomitee" 2026. Im Fokus sind alle Mädchen ab 16 und alle Jungs ab 18 Jahren. "Man kann sein Glück auch selbst in die Hand nehmen und uns vorher bestechen", sagt der 19-jährige Klein und lacht. "Traditionell geht das mit einer Kiste Bier." 

"Das ist Tinder analog", sagt Michel lachend. Der Brauch sei in Saarhölzbach, einem Ortsteil der Gemeinde Mettlach mit heute gut 1.500 Einwohnern, seit dem Jahr 1834 belegt. Jetzt hat der Ort im nördlichen Saarland nach jahrelanger Vorbereitung einen Antrag auf Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes gestellt. 

Man sei optimistisch: Auch wenn es den Brauch früher in anderen Orten im Saartal sowie in Lothringen gegeben habe: "Wir haben ihn kontinuierlich bis heute gelebt und besitzen den ältesten Nachweis dazu", sagt Michel. Ob es der Saarhölzbacher Liebesbrauch ins Bundesverzeichnis schaffe, werde man erst 2027 wissen. "Der Prozess dauert so lange."

Elias Becker von der Orga-Gruppe hat jetzt schon viel Spaß. "Wir fangen gerade an, die Liste aufzustellen", sagt er bei einem Treffen in Saarhölzbach nahe der Grenze zu Rheinland-Pfalz. Diejenigen, die schon einen Freund oder eine Freundin hätten, würden als Paar über die Tröte aufgerufen. Auch ältere Junggesellen könnten ausgerufen werden.

Erfolgsbilanz gibt es nicht

Das Ausrufen der "Lehnen" - wie die Paare genannt werden - sei ein herausragendes Beispiel lebendiger Alltagskultur im Merziger Land und ein wichtiger Bestandteil regionaler Identität, teilt der Verein für Heimatkunde im saarländischen Merzig mit. Die Tradition stärke die Dorfgemeinschaft.

Zum Brauch gehöre auch, dass der Mann die Frau vor dem Ball am 17. Januar 2026 zu Hause abhole und danach wieder nach Hause bringe. Und am Folgetag richte der Mann einen Kaffee aus, zu dem die Frau eine "Lehnenbrezel" mitbringe. "Der Kaffee ist Ehrensache", sagt Michel.

Im Kern sei die Tradition über die Jahre gleichgeblieben, sagt Ortsvorsteher Christian Stutz. Was sich geändert habe, sei unter anderem der Ball: Da gebe es heute moderne Musik mit DJ oder einer Band. Klassisch bleibt es aber bei der Kleidung, sagt der 19-jährige Becker: "Die Mädchen kommen im Ballkleid, die Jungs im Anzug."

Wie viele Paare sich beim "Lehnenausrufen" in Saarhölzbach schon gefunden haben? Zuletzt habe es bei einem Paar vor zwei Jahren geklappt, erzählen Becker und Klein. "Die beiden wohnen jetzt zusammen." 

Eine Bilanz gebe es nicht, sagt Michel. "Manchmal wird was daraus, manchmal nicht." In den Jahren nach dem Krieg sei "der angestoßene Heiratsmarkt" noch viel intensiver gewesen, weil man weniger Austausch mit anderen Dörfern hatte. "Da sind wirklich viele Ehen aus dem Ort entstanden."

Quelle: dpa

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