Reise

Damit Kinder auch Spaß haben Abenteuer statt Gewaltmarsch

Etwa 300 Meter unter dem Gipfelkreuz fließen bei Lukas die Tränen. Die Füße tun weh, der steile Pfad will kein Ende nehmen. Und warum klettert man überhaupt auf diesen blöden Berg, bloß um anschließend wieder abzusteigen? Alles Zureden hilft nichts - am Ende müssen Mama und Papa umkehren. Dem Wanderbuchautor Michael Pröttel aus Steinebach am Wörthsee (Bayern) ist klar, warum: "Kinder interessiert nicht, ob am Horizont der Watzmann auftaucht. Kinder interessiert der Bach, an dem man vielleicht einen Staudamm bauen kann." Ob Kinder Spaß an einer Wanderung haben, entscheidet sich also schon lange, bevor es überhaupt losgeht - gute Planung ist alles.

Wandern kann Kindern durchaus Spaß machen.

Wandern kann Kindern durchaus Spaß machen.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Ein verschlungener Pfad verspricht tausendmal mehr Überraschungen als eine eintönige Forststraße. Ein Rundweg bleibt bis zum Schluss spannend: Liegt an der Strecke ein Streichelzoo, ein Wasserfall, ein Grillplatz, eine Ruine?

Ziel aussuchen lassen

Am besten dürfen sich die Kinder das Ziel selbst aussuchen. Was den kleinen Wanderern zuzutrauen ist, sollten aber die Eltern einschätzen. "Es gibt Drei- oder Vierjährige, die schon sehr weit laufen können", erklärt Pröttel, der das Buch "Mit Kindern ins Gebirge" geschrieben hat. Der Deutsche Alpenverein (DAV) in München hält sich an die Faustregel, dass Kindergartenkinder bis zu vier Stunden wandern können, in der Grundschule geht schon eine Stunde mehr. Ab 10 Jahren sind dann auch sechs- bis siebenstündige Touren drin. "Dann wollen die Kinder ihre Grenzen testen", sagt Caroline Hellmeier, beim DAV fürs Familienbergsteigen zuständig.

Man muss ihnen nur etwas Spannendes am Wegesrand bieten, wie ...

Man muss ihnen nur etwas Spannendes am Wegesrand bieten, wie ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Deutsche Wanderverband in Kassel legt dagegen die Wegstrecke zugrunde: Das Lebensalter mal 1,5 - so weit kann das Kind schon laufen. Ein Sechsjähriger schafft also neun Kilometer. Geht es bergauf oder bergab, entsprechen 100 Höhenmeter einem Kilometer.

Mit Kindergartenkindern bleiben Eltern allerdings besser im Flachland, raten die Experten. Später kann es auch ins Hochgebirge gehen. Altschneefelder, Hänge mit Steinschlagrisiko oder Pfade am Abgrund sind für Kinder aber gefährliches Terrain. Pröttel empfiehlt daher einen Anruf zum Beispiel beim Hüttenwirt. "Am besten erkundigt man sich vorher: Kann ich die Tour zurzeit ohne Probleme machen?"

Einen Gang zurückschalten

... Kaulquappen fangen ...

... Kaulquappen fangen ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wer mit einem Wanderführer für Erwachsene plant, muss auf die veranschlagte Gehzeit mindestens noch einmal die Hälfte draufrechnen. Denn wer mit Kindern läuft, sollte sich unbedingt darauf einstellen, einen Gang zurückzuschalten und viele Pausen einzulegen. "Die Pause ist eigentlich fast das Wichtigste am Wandern", sagt Bernd Euchner, Bundesfamilienwart beim Wanderverband.

Also Rucksack runter und in aller Ruhe die Aussicht genießen? "Kinder erholen sich nicht durch Stillsitzen", erklärt Hellmeier. Am besten lassen die Großen sie barfuß im Gras tollen, durchs Unterholz klettern oder ein Kartenspiel machen. Mit etwas Fantasie lässt auch die Brotzeit keine Langeweile aufkommen: Käse- und Wurstbrote, Müsliriegel, Karotten und Gurken, Obstsalat und zum Nachtisch vielleicht auch eine Süßigkeit sind eine gute Kombination. Am wichtigsten sind aber die Getränke: "Lieber zu viel als zu wenig mitnehmen", rät Euchner. Die Grundregel heißt: mindestens ein Liter pro Person. Tee oder Saftschorlen eignen sich besonders gut.

... oder Rehe füttern bspw.

... oder Rehe füttern bspw.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Der Proviant gehört in den Rucksack der Erwachsenen. Auch Regen- und Sonnenschutz, Ersatzwäsche, die Erste-Hilfe-Apotheke und je nach Region eine Zeckenpinzette sollten auf keiner Wandertour fehlen. Geht es über die Baumgrenze hinaus, kommt selbst bei schönem Wetter ein dicker Pulli mit ins Gepäck. Spezielle Bergkleidung brauchen Kinder zwar nicht unbedingt, wichtig sind aber gut sitzende Wanderschuhe, erläutert Hellmeier: "Die vom großen Bruder, die zwei Nummern zu groß sind oder zu klein - damit tut man sich keinen Gefallen."

Auch wenn die meisten Kinder stolz sind, wie die Großen einen eigenen Rucksack zu haben: Mehr als zehn Prozent des Körpergewichts darf dieser auf keinen Fall wiegen. Gut tragen können Kinder ihre Trinkflasche oder ein Kuscheltier. Oder der Rucksack füllt sich unterwegs: hier ein Fichtenzapfen, dort ein leeres Schneckenhaus. Damit haben Eltern auch die erste Spiel-Aufgabe für unterwegs parat, sagt Hellmeier. Eine gelbe Blume und drei runde Steine bis zum nächsten Rastplatz! - und schon läuft sich die Etappe wie von selbst.

Landschaft ist langweilig

"Kinder haben noch kein Empfinden für Landschaft. Das ist langweilig", weiß Wanderwart Euchner. Aber was raschelt dort vorne im Laub, vielleicht ein Eichhörnchen? Und wer entdeckt als Erster die nächste Wegmarkierung? Um viele Gegenden ranken sich Sagen und Märchen - umweht diesen hohlen Baum nicht noch ein Hauch von Feenzauber? So mag bestimmt auch Lukas bis zum Gipfel laufen.

Beim Wandern mit Kindern sollten Eltern sicherheitshalber Touren wählen, die sich unterwegs gut abbrechen lassen. Als Erfolgsrezept empfehlen Experten, mit mehreren Kindern zu wandern. "Die stacheln sich gegenseitig an: Wer ist der Erste auf der Alm?", beschreibt es der Buchautor Michael Pröttel. "Vorher haben sie genörgelt, plötzlich rennen sie mit den anderen um die Wette", hat auch Bernd Euchner vom Deutschen Wanderverband auf vielen Touren erlebt.

Informationen

Internet: www.wanderverband.de. Die DAV-Broschüren "Bergsteigen mit Kindern" und "Mit Kindern auf Hütten" gibt es kostenlos im Internet unter www.alpenverein.de in der Rubrik "Familie/Broschüren".

Quelle: ntv.de, Anja Semmelroch, dpa

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