Gut Saxtorf: Kein Museum, sondern echt Besuch im 19. Jahrhundert
05.09.2011, 10:23 Uhr
Das Herrenhaus des Gutes Saxtorf in Riseby.
(Foto: dpa)
Schleswig-Holstein ist ein Land der Güter und Herrenhäuser. Viele von ihnen wurden umgewandelt in Hotels, Restaurants oder Luxus-Wohnungen. Der Herr von Gut Saxtorf betreibt noch ganz traditionell Landwirtschaft und wohnt - fast - wie im 19. Jahrhundert.
Nein, Edgar-Wallace-Filme wurden auf Gut Saxtorf nicht gedreht, hält der Gutsbesitzer fest. Auch wenn es hier aussieht wie auf einem englischen Landschlösschen und man spätestens im Gelben Salon erwartet, dass Klaus Kinski aus dem Nichts auftaucht, um Karin Dor zu erschrecken. Aber ein Aufklärungsspot über Aids wurde hier gedreht, erzählt Gutsherr Bernd Hoff-Hoffmeyer-Zlotnik. "Dracula" geisterte durchs Schloss, griff ein Mädchen an, das in letzter Not ein Kondom zückte.
Ja, es gab wilde Zeiten auf Saxtorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde), das einsam in einem entenflottgrünen Teich steht. 1850 bis 1852 wurde der dreiflügelige neugotische Backsteinbau errichtet, erzählt Hoff-Hoffmeyer-Zlotnik. Architekt war - sichtbar - ein Schinkelschüler. Der Vorgängerbau war abgebrannt, angeblich, weil ein von Dragonern bedrängtes Zimmermädchen eine Kerze fallen ließ. Das Mädchen geht natürlich heute noch um, auch wenn noch niemand es gesehen hat.
Zeit scheint stehengeblieben
Der 62-jährige Gutsherr ist auf Saxtorf geboren und hier aufgewachsen. Seine aus Nordschleswig stammende Familie übernahm das Gut nach dem Ersten Weltkrieg. Saxtorf war über die Jahrhunderte unter anderem in der Hand der Rantzaus und Ahlefeldts, von denen die heutige Besitzerfamilie es übernahm, "besenrein", wie Hoff-Hoffmeyer-Zlotnik sagt. Damals gab es noch Personal: "Eine Mamsell, vier Hausmädchen, ein Gärtner und ein Hausbursche. Aber auch nur ein Bad und ein WC fürs Personal."
Heute nagt der Zahn der Zeit auf charmante Weise am Gut, und innen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Zahllose Geweihe hängen an den Wänden. "Die sind von meiner Mutter geschossen", erzählt der Gutsherr. Auch an Sesseln und Sofas finden sich Geweihe als Lehnen, "und die sind trotzdem bequem", findet der 62-Jährige. Beeindruckend ist das Treppenhaus, für das Carraramarmor verwendet wurde, und an dessen Aufgängen Stuckmedaillons aus der Thorvaldsen-Schule hängen. Mit seiner Familie lebt Hoff-Hoffmeyer-Zlotnik das ganze Jahr über auf dem Gut, das 27 Zimmer auf 1000 Quadratmetern bietet, "alle bewohnt oder bewohnbar".
Ein wenig museal sehen die Räume aus, neogotische Kachelöfen, ein prachtvoller Kamin, alte Teppiche, breite Flure, schwere verzierte Holztüren. Zwischendurch erinnert ein modernes Radio an die Gegenwart. "Man kann gut das 19. mit dem 21. Jahrhundert mischen", findet der Gutsherr. Eine ganz moderne Einrichtung? Das käme ihm nicht in den Sinn. Das Anwesen steht unter Denkmalschutz, doch staatliche Gelder flössen nur, wenn er selbst 60 Prozent der anstehenden Kosten trage, erzählt der Gutsherr. Im Gegensatz zu vielen anderen Gutsbesitzern hat der Herr von Saxtorf kein Hotel oder Restaurant auf dem Gut eingerichtet, sondern betreibt auf 420 Hektar traditionell Landwirtschaft, "das hat familiäre Gründe", sagt er.
Wer soll das bezahlen?
Und ein Museum draus machen? "Dann wird es doch nicht genutzt und verfällt irgendwann." An den Stallungen müsste mal etwas gemacht werden, in den Salons könnte man echtes Blattgold statt Goldbronze verwenden, aber wer soll das alles bezahlen? Die Fenster könnte man erneuern, aber es gibt 80 Stück, jedes anders, man bräuchte Einzelanfertigungen. "Man muss sich was überlegen", sagt Hoff-Hofmeyer-Zlotnik, um doch mehr Geld hereinzubekommen. Erhaltenswert ist das Gut allemal: "Die vom Denkmalamt waren vollauf begeistert, dass hier alles so erhalten ist wie im 19. Jahrhundert".
Eine Bekannte von Goethe lebte einst hier, Detlev von Liliencron arbeitete um 1880 beim Landratsamt in Eckernförde und kam oft zu Besuch. Sogar ein Gedicht widmete der Poet dem Gut, sprach von der "engelmilden" alten Gräfin und den Pfauen im Garten. Ein Jahrhundert später war Siegfried Lenz auf Saxtorf: Seine Novelle "Ein Kriegsende" wurde hier verfilmt. Eines Abends kam der Schriftsteller selbst "vorbeigeschlichen", plaudert mit dem Gutsherrn. "Meine Frau ärgert sich heute noch, dass wir nicht wenigstens ein Autogramm haben. Das ist ein sehr netter, zurückhaltender Mann." Vom Turm seines Gutes hat Hoff-Hoffmeyer-Zlotnik einen weiten Blick über das Land. Als er ein Kind war und die Bäume kleiner, konnte er bis zum Schleswiger Dom gucken. "Man hat hier die Provinz gut unter Kontrolle", lächelt er.
Quelle: ntv.de, Martina Scheffler, dpa