Reise

Verbotenes Handgepäck EU lockert erstmals Regeln

Wasserflasche, Deo und Shampoo - ins Flugzeug dürfen Passagiere derzeit nichts davon mitnehmen. Nach fast fünf Jahren wird das Verbot nun schrittweise aufgehoben. 2013 soll alles wieder erlaubt sein, doch es gibt noch Probleme.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie sind ein ständiger Quell des Ärgers beim Flug: Die strengen EU-Vorschriften, die Flüssigkeiten im Handgepäck seit 2006 verbieten. Was Passagiere nervt, soll dazu dienen, Terroranschläge mit flüssigem Sprengstoff zu verhindern. Bis ins Detail ist alles genau geregelt: Zahnpastatube und Handcreme-Tiegel dürfen nicht größer als 100 Milliliter sein und müssen in eine Klarsichttüte.

Seit den vereitelten Anschlägen von London vor fünf Jahren filzen Sicherheitsleute Handtaschen und Rucksäcke, allein an deutschen Flughäfen konfiszieren sie jeden Tag sechs Tonnen Kosmetika und Getränke. Zum 29. April lockert die EU nun erstmals die Regeln. "Es ist ein kleiner Schritt, aber er bereitet die für 2013 geplante Aufhebung des kompletten Verbots vor", kündigt EU-Verkehrskommissar Siim Kallas an.

Was er nicht sagt: Nur die wenigsten Fluggäste werden von der Lockerung profitieren. Denn diese gilt nur für Transferpassagiere mit Einkäufen aus dem Duty-Free. Wer Alkohol oder Parfüm in einem Nicht-EU-Land gekauft hat, darf die verschweißte Tüte künftig beim Umsteigen in Europa behalten und mit auf seinen Anschlussflug nehmen. Für alle sonstigen Flüssigkeiten, die ein Kunde von zuhause mitbringt, ändert sich nichts. Auch für Fluggäste, die in Deutschland starten, bleibt alles beim Alten.

Keine einheitliche Linie

Auf den ersten Blick ist das gut für die Passagiere, auf den zweiten kommen aber Zweifel auf, ob das Verbot in zwei Jahren überhaupt fristgerecht aufgehoben werden kann. Die Praxis stimmt nicht zuversichtlich. Während Deutschland die Frist an diesem Freitag einhält und an den Airports schon neue Geräte stehen, wollen von den 27 EU-Staaten laut Bundespolizei zunächst nur sechs mitmachen. Nach EU-Angaben werden es auf unbestimmte Zeit maximal 20 Länder werden - so bleiben Großbritannien und Frankreich mit den großen Drehkreuzen Paris und London außen vor. Wer also künftig von Kairo über Frankfurt nach Berlin fliegt, darf seine Duty-Free-Tüte behalten. Wer aber auf derselben Strecke von Kairo nach Berlin in London umsteigt, muss seine Einkäufe abgeben.

Da hagelt es Kritik. "Von einer europaweiten Regelung kann keine Rede sein, das ist eine Mogelpackung", sagt der SPD-Experte im Europaparlament, Knut Fleckenstein. Der Verband Europäischer Fluglinien AEA spricht von einer "unübersichtlichen Lage" und empfiehlt jedem Passagier, sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Auch der Flughafenverband ADV moniert das Durcheinander und die hohen Kosten. "Die Auswirkungen auf den operativen Flughafenbetrieb sind noch nicht bekannt, da Erfahrungen beim Einsatz der neuen Technik fehlen. Im Gegensatz zum Körperscanner gibt es einen Kaltstart ohne vorherigen Probebetrieb", sagt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

Die Bremser-Staaten führen Sicherheitsbedenken an und halten die Technik nicht für ausgereift. Von Freitag an müssen Europas Flughäfen neue Screening-Geräte einsetzen, die mit Laser oder Elektromagnetwellen die Flaschen und Tiegel durchleuchten. Sie sollen Whisky zuverlässig von Sprengstoff unterscheiden können. Das gelingt nicht immer: Im Test gaben die Scanner häufig Fehlalarm. Dann müssen Fahnder die Champagner-Flasche oder die Creme-Tube öffnen und eine Probe entnehmen. "Wie werden Passagiere reagieren und wer entschädigt sie?", fragt die internationale Flughafenvereinigung ACI, die zudem vor langen Warteschlangen und Verspätungen warnt.

Frankfurt gibt sich gelassen

Die Bundespolizei wiegelt dagegen ab. Die Technik habe eine "umfangreiche Erprobungsphase hinter sich", sagt der Leiter des Referats Luftsicherheit bei der Bundespolizei, Steffen Richter. Mit den strengen Vorschriften habe man jahrelang die Passagiere auf eine harte Probe gestellt: "Aber es gab keine Alternative."

Auch an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt, der jährlich 53 Millionen Passagiere zählt, bleibt man gelassen. "Wir rechnen mit mehreren tausend zusätzlichen Kontrollen im Monat - das können wir leisten", sagt ein Sprecher des Betreibers Fraport. "Es wird kein Chaos ausbrechen."

Für die Zusatzkosten werden die Passagiere zur Kasse gebeten. Die Kosten für die teuren Geräte schlagen Flughäfen und Airlines auf die Sicherheitsgebühr auf, die Kunden zahlen müssen. Das gilt auch für die umstrittenen Körperscanner, die Flüssigkeiten am Körper von Passagieren erkennen sollen und derzeit europaweit getestet werden.

Ob 2013 für Passagiere wieder die alten Zeiten zurückkommen, als man ungehindert Getränke mit an Bord nehmen durfte, hängt davon ab, ob die Industrie zuverlässige Geräte entwickelt. Und davon, wie die EU-Staaten die Gefahr von Terroranschlägen dann einschätzen werden. "An den Flughäfen prüft man haargenau, während zu Bahnhöfen jeder potenzielle Terrorist Zutritt hat", kritisiert der Abgeordnete Fleckenstein. "Das ist alles nicht schlüssig."

Quelle: ntv.de, Marion Trimborn und Haiko Prengel, dpa

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