"Dreckig, aber es hat was" Mauerpark wird Massenspektakel
09.05.2011, 07:40 UhrDie Touristen kommen in Scharen. Das Karaoke und der Flohmarkt im Berliner Mauerpark sind zum Massenspektakel geworden. Ist es mit dem alternativen Leben bald vorbei?

Der Mauerpark, bis vor einigen Monaten noch ein Geheimtipp für alternative Freizeitgestaltung, ...
(Foto: dpa)
Wohl nirgendwo ist Berlin so bunt wie an einem Sonntag im Mauerpark. Hippie-Mädchen verkaufen am Eingang des Flohmarkts selbstgebackene Cupcakes. Ein paar Schritte weiter tanzen Michael-Jackson-Fans, nebenan trommelt sich eine Gruppe in Ekstase. Gekrönt wird der Freiluftzirkus von einer allsonntäglichen Karaoke-Show: Bestimmt 2000 Menschen sehen zu, wie sich Hobby-Sänger zum Affen machen - oder auch nicht. Punks, Jongleure, Touristen, die sogenannten Latte-Macchiato-Mütter: Alle sind da.
Der Mauerpark, an einem Hügel auf dem ehemaligen Todesstreifen an der Grenze zwischen Wedding und Prenzlauer Berg gelegen, ist gerade der Central Park von Berlin. Aber er hat das Problem, das viele Orte haben, die einmal ein Geheimtipp waren: Wenn ihn zu viele kennen, wird er zum Massenspektakel. Bis zu 45.000 Menschen strömen an manchen Wochenenden durch den Mauerpark. Die Müllberge wachsen, der Rasen verstaubt. Und wie in Berlin üblich, fürchten manche, dass es bald mit dem alternativen Leben vorbei ist und die Luxuswohnungen kommen.
Noch funktioniert der Park mit jenem Schmuddel-Charme, den man an der Hauptstadt entweder liebt oder hasst. Er ist ein Lebensentwurf, ein rauer Sehnsuchtsort: so war früher der ganze Prenzlauer Berg. "Irgendwie ist es hier dreckig, aber es hat was", sagt Musiker Matthew aus Neuseeland in einer Film-Doku über den Mauerpark. Besucherin Joyce findet, wenigstens hier sei der Prenzlauer Berg noch nicht so "totsaniert". Den Filmregisseur Dennis Karsten fasziniert, dass sich die Szene ständig verändere. Letztes Jahr hätten die 15- bis 20-Jährigen den Park erobert. Und jetzt? "Man sieht es schon, dass es extrem voll wird."
Zu wenig Platz für alle
Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) winkt bei der Diskussion über den proppenvollen Park ab. "Dafür ist er gebaut worden." Es seien nicht zu viele Menschen, sondern es sei einfach zu wenig Platz für alle da. "Es ist ein Ort, der wunderschön ist." Und woran liegt es, dass in Berlin die Grünflächen dreckiger sind als in anderen Städten? Kirchner will sich nicht zu gewagten Vermutungen hinreißen lassen. Er deutet aber an, dass ein bisschen mehr Bürgersinn nicht schaden könne.
Immerhin: Künftig sollen unterirdische Mülleimer für mehr Sauberkeit sorgen. Und der acht Hektar große Mauerpark soll erweitert werden. Während dem Land Berlin die Fläche nahe dem Flohmarkt gehört, ist das angrenzende Gebiet Richtung Wedding, ehemaliges Bahngelände, Eigentum der Immobilien-Entwicklungsgesellschaft Vivico. Mehr als die Hälfte dieses Geländes soll laut Vivico zum Park werden, Häuser sind am Rand geplant. "Das ist kein Standort für Luxuswohnungen", versichert Sprecher Wilhelm Brandt.
Bürgerinitiativen und Bezirkspolitiker, darunter neuerdings die Grüne Ex-Ministerin Andrea Fischer, haben ein waches Auge auf den Park, die Wettbewerbsentwürfe und die Baupläne. Wie es weitergeht, wird sich aber wahrscheinlich erst nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst entscheiden. Und während der Mauerpark schon lange kein Insider-Tipp mehr ist, führt eine neue Hippness-Fährte Richtung Kreuzberg. Der Görlitzer Park, kurz "Görli", sei schwer im Kommen, schwören Berlin-Kenner.
Quelle: ntv.de, Caroline Bock, dpa