Touristen statt Terroristen Nordkaukasus wird Ferienregion
09.02.2012, 07:46 UhrIm russischen Konfliktgebiet Nordkaukasus plant Moskaus Staatsführung ein Ferienparadies, das es mit den Alpen aufnehmen soll. Das Auswärtige Amt in Berlin rät "dringend" von Reisen ab: In der bergigen Vielvölkerregion gibt es immer wieder schwere Anschläge.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew beim Skifahren im Skigebiet Krasnaja Poljana nahe Sotschi.
(Foto: dpa)
Mit Tourismus gegen Terrorismus - so will die Moskauer Führung künftig Ruhe in ihr blutiges Konfliktgebiet Nordkaukasus bringen. Schon Ende des Jahres soll die erste von insgesamt fünf Ski- und Kurortregionen die ersten größeren Touristenströme bewältigen. Auch die Region Sotschi, Schauplatz der Olympischen Winterspiele 2014, soll eingebunden werden. Rund 30 Milliarden US-Dollar (22,8 Mrd Euro) sollen bis 2025 nach Angaben der Northern Caucasus Resorts Company (NCRC) in das Projekt fließen.
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Kremlchef Dmitri Medwedew hatten Investoren aufgerufen, sich in der wirtschaftlich unterentwickelten Region zu engagieren. Doch immer neue Anschläge schrecken viele Geldgeber ab. Um die Ernsthaftigkeit der Pläne zu unterstreichen, haben NCRC und die französische Gruppe Caisse des Dépôts das Joint Venture International Caucasus Development gegründet.
Islamismus aus Mangel an Alternativen
Ja, es gebe ein Sicherheitsproblem, räumt NCRC-Aufsichtsratschef Achmed Bilalow ein. Aber wenn die Menschen in der verarmten und von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Region eine Perspektive bekämen, so die Hoffnung, dann gebe es auch Frieden. Jugendliche stehen immer wieder im Verdacht, aus Mangel an Alternativen in islamistische Kreise abzuwandern und zu Attentätern zu werden. Von dem Tourismusprojekt erhofft sich Moskaus Führung 330.000 neue Arbeitsplätze.
Die atemberaubende Schönheit der Bergketten und die Küstenlinie sind bisher im Westen nur wenigen Touristen bekannt. Angesichts von Gewalt in der islamisch geprägten Vielvölkerregion rät etwa das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite "dringend" von Reisen in den Nordkaukasus ab. "In den (...) Regionen besteht aufgrund von Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen, Entführungsfällen und Gewaltkriminalität ein hohes Sicherheitsrisiko", heißt es in der deutschen Reisewarnung.
Gemeint sind nicht nur das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien und das benachbarte Inguschetien, sondern auch die nun touristisch anvisierten Teilrepubliken Kabardino-Balkarien sowie Dagestan am Kaspischen Meer. Es gebe auch andere unsichere Orte auf der Welt, die trotzdem bereist würden, beschwichtigt Bilalow.
Skitourismus, Thermalbehandlungen und Wellness-Angebote
Das Unternehmen NCRC plant den Ganzjahrestourismus in Lagonaki in der Region Krasnodar, in Elbrus-Bezengi (Kabardino-Balkarien), in Mamison (Nordossetien) und in Matlas (Dagestan). Als erstes der fünf künftig miteinander verbundenen Kurortzentren soll Archys in der Republik Karatschai-Tscherkessien schon in diesem Dezember die ersten Touristen empfangen. Neben Skitourismus wird es demnach in der an Mineralquellen reichen Region auch Thermalbehandlungen und Wellness-Angebote geben.
Die Ferienregion mit Europas größtem Berg Elbrus (5642 Meter) werde das drittgrößte Skigebiet dieser Art weltweit - nach den Alpen und den Rocky Mountains, heißt es im Werbeauftritt des Unternehmens. Über 1200 Kilometer erstreckt sich das Gebirge zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer.
Skiorte startklar bis Ende 2015
Bis Dezember 2015 sollen alle Skiorte startklar sein. In einer zweiten Etappe von 2018 bis 2025 sollen die Küstenregionen in Dagestan ferientauglich werden. 150.000 Hotelzimmer und jede Menge Skipisten mit Liften seien geplant. Schon jetzt wirbt NCRC mit fast unberührter Natur, Gletschern und Bergseen und "mindestens 18.000 Pflanzen- und Tierarten". Der an Naturparks reiche Kaukasus biete jede Menge Möglichkeiten für Extremsport, Reiten, Klettern und Wandern.
Zwar versprechen die Planer eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus, doch warnen russische wie internationale Umweltverbände vor einer Zerstörung der einzigartigen Landschaft. Zwei Milliarden Euro will die russische Regierung als Starthilfe für die Entwicklung der Infrastruktur bereitstellen. Dazu gehören auch moderne Stromleitungen, Wasser- und Gasanschlüsse, Kommunikation sowie bessere Straßennetze.
Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa