Vietnams gequälte Bären Ökotourismus bedroht Schutzzone
25.04.2012, 21:46 Uhr
Ein Kragenbär im Bärenrettungszentrum Vietnam im Nationalpark Tam Dao.
(Foto: dpa)
In einem Naturpark in Vietnam finden misshandelte Bären aus illegalen Farmen Zuflucht. Die Menschen haben es auf ihren Gallensaft abgesehen. Nun bedroht ein Hotelneubau die Schutzzone.

In dem Naturpark finden misshandelte Bären Zuflucht. Viele wurden zuvor auf illegalen Galle-Farmen gehalten.
(Foto: dpa)
Der Kragenbär ist sicher untergebracht hinter einem drei Meter hohen elektrischen Zaun und schwingt auf einem zur Schaukel umfunktionierten Autoreifen. Alle viere hat er von sich gestreckt. Sein Gesichtsausdruck und der glänzende Pelz lassen ihn gesund und entspannt aussehen.
Ein zweiter Blick offenbart jedoch etwas anderes: Der Kragenbär (Ursus thibetanus) hatte es nicht immer so gut im Leben wie jetzt im Rettungszentrum Vietnam im Nationalpark Tam Dao. Ihm fehlt eine Klaue. Die hat er sich abgekaut während der Jahre, die er in einen engen Käfig gesperrt und mit Drogen vollgepumpt war. Zweimal täglich wurde ihm mit einer Nadel Flüssigkeit aus der Galle entzogen. Der Gallensaft der Bären ist in der traditionellen Medizin seit über 3000 Jahren sehr begehrt. Er soll bei Lebererkrankungen, Verbrennungen, Fieber, inneren Blutungen und Magengeschwüren helfen.
Tausende Bären vegetieren auf illegalen Farmen
Die Tierschutzorganisation Animals Asia Foundation (AAF) betreibt das Bärenrettungszentrum. Es liegt rund 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Hanoi. Derzeit leben hier 99 Kragen- und Malaienbären (Helarctos malayanus oder manchmal auch Ursus malayanus genannt). Sie wurden aus illegalen Galle-Farmen befreit oder von Tierhaltern abgegeben. Während es in freier Wildbahn in Vietnam nur noch einige hundert Bären gibt, vegetieren etwa 4000 auf den illegalen Farmen vor sich hin. Auch in China ist Bärengalle ein begehrtes Wundermittel - dort leben etwa 10.000 der Tiere auf solchen Farmen.
Der Handel mit illegalen Tierprodukten und die Abholzung vieler Wälder schädigen die Tierwelt Vietnams. Das Bärenschutzgebiet gilt als eines der erfolgreichsten Schutzprojekte des Landes und soll erweitert werden. Doch AAF fürchtet nun das Aus dieser Pläne: In dem Nationalpark soll ein Hotel für Öko-Touristen entstehen.
Öko-Tourismus in Nationalparks erlaubt
Im vergangenen Jahr trat ein Gesetz in Kraft, das Öko-Tourismus-Projekte auch in Nationalparks erlaubt. Im April 2011 gründete sich die Baugesellschaft Truong Giang Tam Dao, die so ein Hotel im Nationalpark Tam Dao hochziehen möchte. Nun streiten sich Baugesellschaft und Bärenschutzzentrum um Bauland im Park.
Die Tierschutzorganisation AAF wollte seit September vergangenen Jahres das Schutzgebiet für Bären ausbauen und so Platz für weitere gut 100 Tiere schaffen. Das vietnamesische Landwirtschaftsministerium habe ihr das Bauland zugewiesen, heißt es bei der Organisation. Nationalpark-Direktor Do Dinh Tien habe den Ausbau jedoch gestoppt, sagt AAF-Landeschef Tuan Bendixsen.
Der Nationalpark-Direktor hatte zuvor beim Ministerium beantragt, dem bauwilligen Unternehmen einen Teil des Grundes zu verpachten - das Land, auf dem auch die AAF bauen möchte. Nach Ansicht von AAF verfolgt der Parkdirektor damit ganz eigene Interessen: Seine Tochter habe die Baugesellschaft mitbegründet. Der Parkdirektor bestreitet dies. Unter der angeblichen Telefonnummer der Firma erreicht man aber nur einen Supermarkt. Von dem Bauunternehmen habe sie noch nie etwas gehört, sagt dessen Besitzerin.
Reichlich Zündstoff
Zündstoff zwischen Umweltschützern und Öko-Tourismus-Planern gibt es in vielen Nationalparks Vietnams. Der Chef der staatlichen Naturschutzbehörde, Tran The Lien, sieht eine starke Nachfrage nach Bauland in gut gelegenen Nationalparks.
AAF-Chef Bendixsen sieht durch den geplanten Hotelbau in Tam Tao das gesamte Bärenschutzprogramm gefährdet. Es gebe für die Naturschutzbehörden nicht genug solcher Zentren, um die von Galle-Farmen befreiten Bären unterzubringen. Deshalb müssten sie immer wieder Tiere auf den Farmen zurücklassen.
Die Regierung in Hanoi muss demnächst entscheiden, wer im Recht ist. AAF werden jedoch gute Chancen eingeräumt, sich in diesem Fall gegen das Hotelprojekt durchzusetzen.
Quelle: ntv.de, Marianne Brown, dpa