Per Kutsche durch Deutschland Reise in die Vergangenheit
17.04.2006, 17:05 Uhr"Hoch auf dem gelben Wagen" sang 1974 Alt-Bundespräsident Walter Scheel und brachte das Volkslied wieder in Fahrt. Mit einer gelben Postkutsche wollen Christine und Jürgen Reimer aus Hechthausen im Kreis Cuxhaven (Niedersachsen) in den nächsten sechs Monaten auf den Spuren der Vergangenheit wandeln. 6.000 Kilometer werden sie auf historischen Postkutschenrouten durch Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Ungarn und Tschechien rollen. Am Montag startete die leuchtend gelbe Kutsche - gezogen von vier reinrassigen Alt-Oldenburger Rappen - in Hechthausen. "Das wird die längste Kutschenreise seit es Autos gibt", sagt Jürgen Reimer.
Die Route ist nach einer original "Postkarte" geplant, die Unterkünfte sind gebucht, die Pferde gut trainiert, und "wir haben uns auf alle Situationen vorbereitet", sagt der 51-Jährige. Es gab damals ein dichtes Netz der Postkutschen-Linien durch Europa. "Wir können diese Strecken teilweise nicht mehr direkt befahren, viele sind heute ausgebaute Straßen und Autobahnen geworden." Die Reise geht fernab des Autolärms durch die Natur und führt zu Burgen, Schlössern und anderen Sehenswürdigkeiten. Dazu gehören unter anderem das "Goldene Dacherl" im österreichischen Innsbruck, die ungarische Hauptstadt Budapest und das Schloss Sanssouci in Potsdam. Letzte Station ist um den 24. Oktober herum die niedersächsische Stadt Stade.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat für die Kutschen-Reise durch Europa die Schirmherrschaft übernommen. "Ich war von dieser Idee sofort begeistert", schreibt Wulff in einem Grußwort. Die Kutsche ist eine Einzelanfertigung nach einem Original von 1890. "Es war gar nicht leicht, die geeignete Manufaktur zu finden", sagt Reimer. In Niemcza in der Nähe von Wroclaw - früher Breslau - in Polen wurden die Reimers fündig. In einem Spezialbetrieb für Stilkutschenbau und -renovierung entstand in sechs Monaten Bauzeit die "Europa-Kutsche": 4,40 Meter lang - mit Pferden gute 10 Meter, knapp 2 Meter breit, 2,70 Meter hoch, mit Ledersitzen, Rundumverglasung, Beleuchtung und Platz für 14 Passagiere. Und so können Interessenten die Kutschfahrt für einen oder mehrere Tage mitmachen.
Für Reimer und seine Frau Christine geht ein Traum in Erfüllung. "Mit der Kutsche "hoch auf dem gelben Wagen" Europa zu erleben ist eine besondere Faszination", sagen beide. Seit 2002 bereitet sich das Ehepaar auf das Projekt vor. Dazu gehörte auch das zwei- und vierspännige Kutschen fahren. "Die Generalprobe haben wir mit einer 14-tägigen Reise im Winter gemacht", sagt Reimer. Er hofft nicht nur auf wunderbare Landschaften und viele Begegnungen mit netten Menschen, sondern vor allem auf schönes Wetter. Die Verteilung auf dem Kutschbock ist klar geregelt: "Meine Frau hat die Zügel in der Hand, ich mache die Verkehrslenkung. Wir sind ein gut eingespieltes Team."
Von Vera Jansen, dpa
Quelle: ntv.de