Reise

Auf den Spuren eines Drogenbosses Touren in Medellin

Angehörige gedenken 2003 dem 10. Todestag Escobars an seinem Grab in Medellin.

Angehörige gedenken 2003 dem 10. Todestag Escobars an seinem Grab in Medellin.

Er gilt als einer der mächtigsten, rücksichtslosesten und brutalsten Drogenhändler aller Lebenszeiten: Pablo Escobar, der Begründer des kolumbianischen Medelln-Kartells. 1949 geboren, baute er in den 70er Jahren ein riesiges Kokain-Imperium auf und häufte bis zu seinem gewaltsamen Tod 1993 ein Vermögen von mehreren Milliarden Dollar an. Heute, 15 Jahre später, ist das Interesse an "El Patrn" ungebrochen: Ein Reiseveranstalter in Medelln bietet ausländischen Touristen seit einem Jahr Führungen auf den Spuren des blutigen und sagenumwobenen Drogenkönigs an. Dabei sorgt der frühere Staatsfeind Nummer eins auch heute noch für Kontroversen: Von den einen wird er verehrt, von den anderen verachtet.

Die Tour "Pablo Escobar" sei zwar "noch nicht sehr bekannt", sagt Hector Jimnez vom Veranstalter "Medelln Experience". "Aber sie wird oft nachgefragt, vor allem von Amerikanern." Jimnez, von Beruf Rechtsanwalt, fährt die Touristen in einem stotternden Geländewagen zum Grab Escobars auf einem großen Friedhof im grünen Umland der Millionenstadt. Der Friedhof wurde zu einer Pilgerstätte für jene Kolumbier, die von der Freigiebigkeit des Drogenbosses profitierten, sowie für ausländische Besucher, die sich gerne dort fotografieren lassen.

Kolumbiens meistbesuchtes Grab

"Dies ist das meistbesuchte Grab Kolumbiens", erzählt Carlos Banegas, ein ehemaliger Angestellter von Escobar, der sich um die Pflege der nüchternen, schmucklosen Familiengruft kümmert. "Manchmal kommen Touristen, um hier Marihuana zu rauchen und Kokain zu schnupfen." Die Grabstätte liegt im Schatten von Palmen, in deren Stämme hunderte Besucher ihre Namen eingeritzt haben.

"Ich habe ein Buch über Pablo Escobar gelesen und halte ihn für eine interessante Persönlichkeit", sagt ein US-Journalist, der im Urlaub ist. "Da hatte ich Lust, hierher zu kommen. Er ist der berühmteste Kolumbianer." Dass die Behörden Escobar aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden lassen wollen, wundert ihn. "Ich weiß nicht viel über ihn, ist er wirklich tot?" fragt Shay Frenkel, ein 33-jähriger israelischer Informatiker.

Terror und Wohltaten

Das Haus, wo Escobar 1993 von der kolumbianischen Polizei erschossen wurde, ist heruntergekommen. Die Fenster wurden zugemauert, um Obdachlose am Einzug zu hindern. Von dem "La Catedral" genannten Luxusgefängnis auf einer Anhöhe, in dem Escobar in allem Komfort lebte, ist nichts übrig geblieben. "Hier bauen sie gerade ein Kloster", erklärt der Reiseführer. Der Wohnsitz war damals eigens für die Inhaftierung Escobars und seiner Leibwächter gebaut worden, staatliche Gefängnisbeamte hatten keinen Zutritt. Vor seiner drohenden Verlegung in ein weniger bequemes Domizil flüchtete Escobar dann aus der "Kathedrale".

Nachdem Medelln zu Beginn der 90er Jahre die gewalttätigste Stadt der Welt war, ist es inzwischen zur Ruhe gekommen - und zu Wohlstand. Escobar übte seinerzeit ein Terrorregime aus, gnadenlos ließ er hunderte Rivalen, Polizisten und Unschuldige ermorden. In Medelln half er jedoch zugleich oft den Ärmsten der Armen. 1986 beispielsweise ließ er 500 Häuser für Bedürftige bauen, die zuvor auf einer Müllhalde gehaust hatten.

Kontroversen statt Schlussstrich

Im Viertel "Pablo Escobar" sagt niemand Schlechtes über den früheren Kokain-König. Die 63-jährige Yolanda Cobo de Vzquez lebt mit ihren zwei Töchtern und vier Enkeln in einem dieser am Berg klebenden Häuser: "Pablo ist unser Wohltäter, er hat unser Leben verändert", sagt sie zu einem Touristen und drückt ein Porträt Escobars an ihre Brust. Zwei Mal im Jahr betet sie an seinem Grab.

Die Tour sorgt für Kontroversen in einer Stadt, die nur zu gern einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit ziehen würde. "Die Leute glauben, Escobar werde verherrlicht, und dass dies zuviel Ehre für ihn sei. Aber nein, er ist eine wichtige Persönlichkeit", verteidigt sich Jimnez. Schließlich habe sogar der weltberühmte kolumbianische Maler Fernando Botero dem Drogenboss ein Werk gewidmet, fügt er hinzu.

Quelle: ntv.de, Alexandre Peyrille, AFP

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